
Text: Frida Kugler und Lilja Ziemann (März 2025)
Was ist der „Gender Pay Gap“?
Männer verdienen durchschnittlich immer noch deutlich mehr als Frauen. Um auszudrücken, wie groß der Unterschied ist, gibt es den Gender Pay Gap. Die sogenannte geschlechterspezifische Lohnlücke betrachtet die Brutto-Stundenlöhne von allen voll- und teilzeit- sowie in Minijobs beschäftigten Frauen und Männern.
Doch von Lohnungleichheit sind nicht alle Frauen gleich betroffen. Merkmale, die eine Diskriminierung zur Folge haben können, wie eine Migrationsgeschichte oder eine Behinderung, beeinflussen den Lohnabstand zum durchschnittlichen männlichen Erwerbstätigen ebenfalls. So können sich Benachteiligungsfaktoren und Effekte auch gegenseitig verstärken.
Die Lücke zwischen den Löhnen wird als prozentualer Anteil des durchschnittlichen Verdienstes von Männern angegeben. Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten werden nicht berücksichtigt. Auch Sonderzahlungen wie Prämien oder Weihnachtsgeld werden nicht einbezogen. Ebenso lässt das Statistische Bundesamt im Einklang mit der europäischen Definition die öffentliche Verwaltung bei der Berechnung des offiziellen Gender Pay Gaps außen vor. Die Löhne von Beschäftigten, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen, werden durch eine zufällige Verteilung in die beiden Gruppen miteinbezogen. Erhoben wurden die Daten bislang alle vier Jahre. Seit 2022 ist es jährlich möglich, den Gender Pay Gap zu berechnen. Bei der letzten detaillierten Erhebung für 2024 lag der Verdienstunterschied deutschlandweit bei 4,10 Euro und für das Land Bremen bei 4,60 Euro brutto je Arbeitsstunde. Das entspricht einer Bezahlung von 16 Prozent pro Stunde weniger. Analysiert man die deutschlandweiten Daten, zeigt sich, dass der Gender Pay Gap viele Ursachen hat.
Frauenanteil hoch, Einkommen niedrig
Ein Viertel des deutschlandweiten Lohnabstands, also 87 Cent, sind darauf zurückzuführen, dass Frauen in anderen – schlechter bezahlten – Berufen und Branchen arbeiten als Männer. Gemessen am mittleren Stundenlohn in Deutschland von 23,49 Euro ist das Gehalt von Pilotinnen und Piloten mit knapp 70 Euro pro Stunde extrem hoch – der Frauenanteil mit sieben Prozent aber sehr niedrig. In Erziehungsberufen und der sozialen Arbeit beträgt der Stundenlohn – jeweils im deutschlandweiten Mittel bei Vollzeitarbeit – 23,80 Euro. Mehr als vier von fünf Beschäftigten sind hier Frauen. Körperpflegeberufe werden zu 82 Prozent von Frauen ausgeübt – der mittlere Stundenlohn beträgt 14,44 Euro. In der Floristik liegt der mittlere Stundenlohn bei nur 14,42 Euro, der Frauenanteil bei 95 Prozent.
Dies sind Extrembeispiele, und es geht auch anders: In der Logistik, in Sicherheitsberufen und vor allem auf dem Bau sind überwiegend Männer zu finden und die Löhne niedrig, während angestellte Ärztinnen und Ärzte zumeist weiblich sind und die Stundenlöhne hoch. Im Großen und Ganzen gilt jedoch: In Branchen und Berufen, in denen Frauen in der Mehrzahl sind, ist der Lohn niedriger (siehe Abbildung). Beispielsweise im Einzelhandel, bei Arzt-/Praxishilfen, in Büro- und Sekretariatsarbeiten, in Erziehungsberufen oder in der Reinigung. Andersherum gilt oft: Dort, wo typischerweise Männer arbeiten, sind die Löhne hoch – in der IT und in technischen Berufen, in der Geschäftsführung oder dem Einkauf und Vertrieb. Typisch für Bremen: Hier gibt es besonders viele Industriearbeitsplätze, in denen das Einkommen oft hoch ist – der Frauenanteil hingegen gering.
Faktor Führungsposition
Ein Zehntel des Verdienstunterschieds lässt sich damit erklären, dass Frauen innerhalb von Branchen und Berufssegmenten andere – schlechter bezahlte – Positionen bekleiden. So sind selbst in frauendominierten Branchen die Führungskräfte oft Männer. In Deutschland war im März 2024 mit 24,1 Prozent weniger als jede vierte Führungskraft weiblich. Im Land Bremen ist es sogar nur knapp jede fünfte (19,5 %), womit Bremen bundesweit den niedrigsten Frauenanteil in Führungspositionen hat. Dies liegt auch daran, dass, wer eine Führungsposition anstrebt, quasi „omnipräsent“ sein sollte; Arbeitgebende erwarten, dass etwa durch ständige Erreichbarkeit und Reisebereitschaft echtes „Commitment“ signalisiert wird. Traditionelle Rollenmodelle beeinflussen weiterhin die innerfamiliäre Arbeitsteilung, sodass Frauen immer noch den Großteil der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit übernehmen. Dies führt dazu, dass die stark fordernden Arbeitszeitmodelle in Führungspositionen für Arbeitnehmerinnen, insbesondere für jene mit Sorgeverantwortung, oft nachteilig sind. So sind Führungspositionen oft nur in Vollzeit zu haben. Dabei können weibliche Führungskräfte einen direkten Einfluss auf die Verdienstunterschiede im Betrieb haben: Wie eine DIW-Studie zeigt, senkt ein höherer Frauenanteil in Führungspositionen den betrieblichen Gender Pay Gap. Allerdings gilt dies erst, wenn im Schnitt mindestens 33 Prozent aller Führungspositionen weiblich besetzt sind – also rund 9 Prozentpunkte mehr, als es deutschlandweit im Jahr 2024 waren.
Teilzeit ist weiblich und schlechter bezahlt
Teilzeitbeschäftigte verdienen in nahezu allen Branchen jenseits tarifgebundener Beschäftigung einen geringeren Stundenlohn als Vollzeitbeschäftigte. Da Frauen deutlich häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer, lässt sich ein weiteres Fünftel des Gender Pay Gaps – das entspricht 79 Cent pro Stunde – allein auf die schlechtere Bezahlung von Teilzeitkräften zurückführen.
Im Land Bremen waren im Jahr 2024 rund 85 Prozent der sozialversichert beschäftigten Männer in Vollzeit tätig, während dieser Anteil bei Frauen nur 48 Prozent betrug. Betrachtet man die Erwerbstätigen zwischen 25 und 55 Jahren in ganz Deutschland, wird diese geschlechterspezifische Aufteilung in Vollzeit und Teilzeit noch deutlicher.
Doch arbeiten Frauen tatsächlich weniger? Zählt man Erwerbsarbeit sowie unbezahlte Haus- und Sorgearbeit zusammen, leisten Frauen täglich durchschnittlich anderthalb Stunden mehr Arbeit als Männer – das summiert sich auf neun zusätzliche Stunden pro Woche. In Haushalten mit Kindern fällt diese Differenz noch deutlicher aus.
Diese ungleiche Verteilung von Arbeit lässt sich häufig auf traditionelle Rollenbilder zurückführen, die Frauen vorrangig für Haushalt und Familie verantwortlich machen – zwischen Partnerinnen und Partnern klafft somit auch ein Gender-Care-Gap. Sorgearbeit („Carearbeit“) bleibt dabei unbezahlt und verschärft die Einkommensungleichheit: Weniger Erwerbsarbeitszeit bedeutet nicht nur ein geringeres Einkommen, sondern auch eingeschränkte Karrierechancen. Der Gender Pay Gap hängt also unmittelbar mit dem Gender Care Gap zusammen.
Alle bisher betrachteten Faktoren machen allein rund 62 Prozent des Lohnunterschieds zwischen den Geschlechtern aus. Hinzu kommen zum Beispiel die geringeren Entgelte für Beschäftigte im Minijob. Auch sie sind für gut sechs Prozent oder 23 Cent des Gender Pay Gaps ursächlich.
Bereinigter oder unbereinigter Gender Pay Gap? – Warum beide berücksichtigt werden müssen
Die bisher genannten Faktoren begründen relativ klar, warum Frauen weniger verdienen als Männer, sie bilden jedoch keine direkte Benachteiligung ab. Das bedeutet jedoch nicht, dass der unbereinigte Gender Pay Gap von 16 Prozent vernachlässigt werden kann. Im Gegenteil: Er weist auf, dass in der Gesellschaft nach wie vor benachteiligende Strukturen existieren. Frauen bekommen zu bestimmten Branchen oder Positionen schlechter Zugang, sie leisten den größten Anteil an Haus- und Sorgearbeit und frauendominierte Berufe werden meist schlechter bezahlt. Selbst wenn all diese erklärbaren Faktoren weggelassen werden, bleibt immer noch eine deutschlandweite Lohnlücke von rund sechs Prozent – die Fachsprache nennt sie den „bereinigten“ Gender Pay Gap. In Bremen liegt dieser im Jahr 2024 bei drei Prozent. Diese Lohnlücke gibt es sogar dann, wenn etwa Qualifikation, Beruf und Position gleich sind. Der unbereinigte Gender Pay Gap beschreibt also die ungleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit und der bereinigte zeigt die gesellschaftliche Ebene, auf der Frauen gegenüber Männern ökonomisch benachteiligt werden.
Langfristig nehmen die Einkommensunterschiede weiter zu
Doch auch der bereinigte Gender Pay Gap ist am Ende zum Teil erklärbar: So spielen Erwerbsunterbrechungen für das Einkommen eine große Rolle. Ein Kind zu bekommen, hat erheblichen Einfluss auf die Löhne von Frauen – und kaum auf die von Männern. Studien benennen das Phänomen als „child penalties“. Demzufolge verdienen Frauen zwanzig Jahre nach Geburt des ersten Kindes pro Jahr etwa 7.000 Euro weniger als Frauen desselben Alters ohne Kinder. Laut einer Studie des DGB kann über die Hälfte der erwerbstätigen Frauen (53 %) in Deutschland mit ihrem Einkommen langfristig nicht eigenständig ihre Existenz sichern. Kommt ein Kind dazu, sind es sogar 70 Prozent. Die strukturellen Rahmenbedingungen sorgen also immer noch für eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit der Frau.
Diese langfristigen Einkommenseinbußen („long-run penalty“) sind in Deutschland zudem deutlich größer als in anderen Ländern. Das hat mit traditionellen Rollenbildern, aber auch der Verfügbarkeit von Kinderbetreuung zu tun. So fehlen in Bremen Jahr für Jahr viele hundert Kitaplätze, was die Möglichkeiten für Frauen erfolgreich am Erwerbsleben teilzunehmen nachhaltig einschränkt. Eine lange Pause der Erwerbstätigkeit durch Elternzeit und/oder fehlende Kitaplätze hat meist negative langfristige Auswirkungen auf den Stundenverdienst, besonders betroffen davon sind Frauen. Denn etwa 44 Prozent der Frauen gehen innerhalb der ersten drei Jahre nach der Geburt in Elternzeit, während nur 3 Prozent der Männer dieses Angebot im selben Zeitraum in Anspruch nehmen. Wie sich in der Abbildung zeigt, stagniert der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen ab der Geburt des ersten Kindes nahezu (es werden Frauen mit und ohne Kinder einbezogen), während er bei den Männern mit zunehmendem Alter fast stetig ansteigt. Der Gender Pay Gap schließt sich also lange nicht, sondern erreicht in der Altersgruppe von 55 bis 60 Jahren seinen Höhepunkt. Diese Entwicklung kann sich aber in Zukunft verändern – das passiert jedoch nur sehr langsam und im Verlauf derGenerationen.
Zum Zoomen Mausrad oder Finger verwenden

Negative Rückkopplung
„Der Gender Pay Gap führt zu einer negativen Rückkopplung: Verdienstunterschiede beeinflussen die Entscheidung, wer die Erwerbs- zugunsten der Sorgearbeit reduziert, was wiederum die beruflichen Chancen einschränkt. Frauen finden sich dadurch seltener in hohen Positionen und sind oft in weniger gut bezahlten Branchen oder in Teilzeit tätig. Sie haben weniger Chancen auf Beförderungen und übernehmen formal weniger Verantwortung. In Gehaltsverhandlungen werden zudem oft Eigenschaften belohnt, die Frauen im Lauf ihrer Sozialisation als unweiblich ‚abtrainiert‘ werden. Außerdem wird in der Bezahlung von Männern häufig deren zukünftiges Potenzial berücksichtigt, während Frauen eher aufgrund ihrer bisherigen Leistungen entlohnt werden.“
Aenne Dunker – Referentin für Gleichstellung und Diversität
Große Lücke – langsame Entwicklung
In Deutschland schließt sich die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen nur sehr langsam. Von Mitte der 1990er- (21 %) bis Mitte der 2010er-Jahre gab es gar keine Verbesserung und der Lohnunterschied stagnierte bei über 20 Prozent. Erst seit einigen Jahren ist ein positiver Trend zu beobachten. Ab 2013 begann der Gender Pay Gap von 23 Prozent zu fallen auf aktuell 16 Prozent. Die vier Jahre vor 2025 blieb der Lohnunterschied jedoch konstant bei 18 Prozent, und obwohl nun ein neuer Tiefststand erreicht ist, bleibt Deutschland im europaweiten Vergleich eines der Schlusslichter bei der Schließung der Lohnlücke. Auch Bremen liegt mit 17 Prozent nach wie vor um einen Prozentpunkt über dem bundesweiten Durchschnitt. Größer sind die Verdienstunterschiede nur in Hessen (19 %), Baden-Württemberg (19 %), Bayern (18 %) und Hamburg (18 %). Es geht aber auch anders: In Brandenburg liegt er bei 2 Prozent und in Sachsen-Anhalt bei 4 Prozent.
Der hohe Gehaltsunterschied in Bremen lässt sich erklären: unter anderem mit der hiesigen Wirtschaftsstruktur, beispielsweise den guten Industrielöhnen, die meist Männern zugutekommen, und den unterrepräsentierten „wissensintensiven Dienstleistungen“, in denen auch Frauen gut verdienen.
Die Räder, die gedreht werden müssen, sind also sehr groß – Rollenbilder und gesellschaftliche Übereinkünfte müssen langsam und mühsam aufgebrochen werden. Die Ansatzpunkte sind dabei vielfältig – die Politik ist auf Bundes- und Landesebene gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um eine gerechte Arbeitsteilung zu ermöglichen. Um alte Rollenmodelle aufzubrechen, braucht es Arbeitszeitmodelle, die für alle Geschlechter die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Sorgeverantwortung praktikabel machen. Fehlanreize für die gleichberechtigte Erwerbsbeteiligung von Partner*innen müssen minimiert werden.
Arbeitnehmerinnen muss es erleichtert werden, gegen Lohndiskriminierung vorzugehen. Denn das 2017 in Deutschland in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz konnte nicht die nötige Wirkung entfalten. Die 2023 in Kraft getretene EU-Entgelttransparenzrichtlinie fordert die Mitgliedstaaten auf, die nationale Gesetzgebung deren Erfordernissen anzupassen. Sie sieht umfangreiche Auskunfts- und Berichtspflichten vor und muss zeitnah in nationales Recht umgesetzt werden, um sicherzustellen, dass Entgeltgleichheit in Deutschland Realität wird.
Auf Landesebene muss ein bedarfsgerechtes Angebot zur Kinderbetreuung jedem Elternteil eine Vollzeittätigkeit ermöglichen. Dass die Politik vor Ort nicht machtlos ist, zeigt sich an einer beispielhaften Aktion: Angepasst an die spezifischen Anforderungen in Bremen, befindet sich seit dem Jahr 2023 die Bremer Landesstrategie Gendergerechtigkeit und Entgeltgleichheit im Erwerbsleben in der Umsetzung, an deren Entwicklung die Arbeitnehmerkammer entscheidend beteiligt war. Diese bietet vielfältige Ansatzpunkte zur Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt: Projekte, die Frauen in Führung fördern; bessere Arbeitsbedingungen in der Kinderbetreuung und in der Pflege sollen zu einem breiteren Betreuungsangebot führen und „weibliche“ Berufe aufwerten. Familienfreundliche Arbeitszeitmodelle sowie die Umwandlung von geringfügigen Beschäftigungen in sozialversicherte Stellen können Wege aus der Erwerbslosigkeit für viele Frauen liefern. Auch wenn die Kassen klamm sind: Die Gleichstellung der Frau darf nicht aus dem Fokus geraten. Die Politik muss zeitnah verbindliche Vereinbarungen zur Umsetzung und Finanzierung der Landesstrategie treffen. Darüber hinaus muss sie dafür Sorge tragen, die Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt in jedem politischen Handeln mitzudenken und Investitionen in die Transformation so zu tätigen, dass sie nicht nur der männlich dominierten Industrie, sondern allen Beschäftigten zugutekommen.
- Gleichstellung in Bremen
- Beruf und Pflege vereinbaren
- Kind und Beruf