Warnschuss für Arbeitgeber
„Die Ergebnisse sind ein Warnschuss für Arbeitgeber und den Wirtschaftsstandort Bremen. Wir brauchen an Lebensphasen orientierte, moderne Arbeitszeitmodelle für Männer und Frauen. Sie müssen auch zu den familiären Anforderungen passen."
Vier zentrale Ergebnisse unserer repräsentativen Befragung
Inhalte der Beschäftigtenbefragung 2023
Einordnung und Methode
Das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft legt mit der Studie „Koordinaten der Arbeit“ 2023 zum vierten Mal eine Repräsentativerhebung von im Land Bremen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor. Die vorherigen Erhebungen fanden in den Jahren 2021, 2019 und 2017 statt. Neben den in Bremen wohnenden Beschäftigten wurden die Einpendlerinnen und Einpendler aus Niedersachsen, Hamburg und weiteren Bundesländern einbezogen.
Die Befragung 2023 basiert zum einen Teil auf einer Panelstichprobe, d.h. auf den Befragten, die sich in einer vorherigen Erhebung zu einer erneuten Kontaktierung für eine Folgebefragung bereit erklärt hatten und entweder 2019 oder 2021 an der Studie teilgenommen haben. Zum anderen Teil basiert sie auf einer Auffrischungsstichprobe, die ergänzend aus der Beschäftigtendatei der Bundesagentur für Arbeit gezogen wurde.
Die Erhebung wurde als Telefonbefragung zwischen Februar und Mai 2023 durchgeführt. Auf Basis der repräsentativen Stichprobenziehung konnten 2.940 Interviews realisiert werden. Diese bilden die im Land Bremen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezogen auf unterschiedliche Strukturmerkmale vollständig und repräsentativ ab. Die Studienergebnisse geben also Auskunft über die gesamte Arbeitnehmerschaft mit Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis im Land Bremen und ermöglichen daher Rückschlüsse auf politische Handlungsbedarfe.
Struktur der Arbeitnehmerschaft
54 Prozent der Beschäftigten im Land Bremen sind männlich, 46 Prozent weiblich. Insgesamt ein Viertel der Befragten (25 Prozent) weist einen Migrationshintergrund auf. Das Durchschnittsalter liegt bei 42,4 Jahren. 47 Prozent der Befragten besitzen einen betrieblichen oder schulischen Berufsabschluss, 12 Prozent einen Meister-, Techniker- oder Bachelorabschluss und 28 Prozent einen Hochschulabschluss (inklusive Fachhochschulen). Der Anteil der Beschäftigten ohne beruflichen Abschluss beträgt 8 Prozent.
Zwei Fünftel der bremischen Beschäftigten (40 Prozent) sind Berufspendlerinnen und -pendler und wohnen nicht im Bundesland Bremen. 52 Prozent aller Beschäftigten wohnen im Stadtgebiet Bremen, 8 Prozent haben ihren Wohnsitz in Bremerhaven. Der Arbeitsplatz der bremischen Beschäftigten liegt zum Großteil (84 Prozent) in der Stadt Bremen. 16 Prozent arbeiten dagegen in Bremerhaven.
Betriebliche Strukturen
Die Beschäftigtenstruktur im Land Bremen wird von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit Betriebsstätten zwischen 50 und 249 Beschäftigten sowie von mittleren und großen Unternehmen ab 250 Beschäftigten geprägt, in denen zusammen zwei Drittel aller Beschäftigten arbeiten. 20 Prozent der Beschäftigten arbeiten in Kleinbetrieben mit bis zu 19 Beschäftigten, die Übrigen in Betrieben zwischen 20 und 49 Beschäftigten.
Die größten Beschäftigungsanteile entfallen auf den Dienstleistungssektor, darunter das Gesundheits- und Sozialwesen mit 12 Prozent oder wissenschaftliche und technische Dienstleistungen mit 11 Prozent. Auf das verarbeitende Gewerbe entfällt ein Anteil von 13 Prozent der Beschäftigten.
Tätigkeitsmerkmale und Arbeitsverhältnis
Insgesamt sind 96 Prozent aller Befragten als Angestellte beschäftigt, 4 Prozent befinden sich in einer Ausbildung. Ein Zehntel der Befragten übt neben der Haupttätigkeit auch noch Nebentätigkeiten aus. Unter den Teilzeitbeschäftigten liegt der Anteil bei 14 Prozent. Im Land Bremen wird der Arbeitsmarkt von fachlich ausgerichteten Tätigkeitsprofilen bestimmt. Eine ausbildungsadäquate Beschäftigung üben 44 Prozent der Beschäftigten aus, 26 Prozent meinen sogar, beruflich mehr erreicht zu haben als mit ihrer Ausbildung zu erwarten war. Im Gegensatz dazu geben 28 Prozent an, dass sie unterhalb ihres persönlichen Ausbildungsniveaus beschäftigt sind.
Beschäftigte mit Migrationshintergrund im Land Bremen sind im Vergleich zu den Arbeitskräften ohne Migrationshintergrund überproportional in Fertigungsberufen anzutreffen. In Handelsberufen, IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufen sowie in Berufen der Unternehmensführung und -organisation sind sie weiterhin vergleichsweise unterrepräsentiert.
Vertraglich arbeiten 71 Prozent der Befragten in Vollzeit, 27 Prozent in Teilzeit, 2 Prozent sind ausschließlich in einem Minijob tätig. Nur 9 Prozent der Männer, aber 47 Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeit. 90 Prozent aller Arbeitsverträge im Land Bremen sind als unbefristete Beschäftigungen angelegt, 10 Prozent sind befristet.
Befristungen sind mit 30 Prozent besonders stark in der jüngsten Altersgruppe zwischen 15 und 24 Jahren verbreitet. Ein Viertel (25 Prozent) der Befragten mit einem befristeten Arbeitsvertrag fühlt sich dadurch stark belastet.
Zum Erhebungszeitpunkt zwischen Februar und Mai 2023 sind 4,4 Prozent der Bremer Beschäftigten bei einem Leiharbeitsunternehmen angestellt. Leiharbeitsbeschäftigte sind vor allem in der Industrie (49 Prozent) und der Lager- und Transportwirtschaft sowie im öffentlichen Dienst (jeweils 15 Prozent) tätig. 33 Prozent der Befragten fühlen sich durch ihre Tätigkeit als Leiharbeitskraft (sehr) hoch belastet.
Vertragliche und tatsächliche Arbeitszeit
Bei der Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (52 Prozent) fallen vertragliche und tatsächliche Arbeitszeit auseinander. Dabei unterscheiden sich im Durchschnitt die vertraglich festgelegte Arbeitszeit (34,5 Stunden) und die tatsächliche Arbeitszeit (35,6 Stunden) um rund eine Stunde.
Für Vollzeitkräfte liegt die tatsächliche Arbeitszeit bei 39,6 Stunden. Bei den Teilzeitkräften liegt die tatsächliche Arbeitszeit bei 26,5 Stunden. Ein Viertel (25 Prozent) der Befragten gibt an, bis zu 3 Stunden Überstunden zu leisten, 16 Prozent zwischen 4 und 5 Stunden, ein knappes Zehntel (8 Prozent) zwischen 6 und 12 Stunden. 3 Prozent leisten mehr als 12 Stunden Mehrarbeit pro Woche. Überstunden stehen vor allem im Großhandel (57 Prozent), in den Branchen Verkehr (58 Prozent) und Lagerei (65 Prozent) sowie in der öffentlichen Verwaltung (70 Prozent) auf der Tagesordnung. Im Gastgewerbe und in der Branche Verkehr leisten 7 Prozent der Beschäftigten sogar regelmäßig mehr als 12 Überstunden wöchentlich.
Gewünschte Arbeitszeit
Mehr als die Hälfte der bremischen Beschäftigten zeigt sich mit ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit unzufrieden (53 Prozent). 12 Prozent der Befragten würden ihre bezahlten Arbeitsstunden gern aufstocken und 41 Prozent würden lieber weniger bezahlte Stunden arbeiten. Insgesamt ist also die Tendenz erkennbar, dass die Beschäftigten ihre Arbeitszeit eher reduzieren als ausdehnen möchten. Im Einzelnen lassen sich aber Unterschiede feststellen. So wünschen sich 45 Prozent der Frauen ein Arbeitsvolumen im Rahmen der „langen Teilzeit“ (durchschnittlich 30 Stunden). Die Hälfte der Männer (47 Prozent) wünscht sich hingegen ein Volumen am unteren Rand der „normgeprägten Arbeitszeit“ (durchschnittlich 35 Stunden). Nach Berufsgruppen betrachtet, sind Wünsche nach mehr bezahlten Stunden bei Reinigungskräften überdurchschnittlich weit verbreitet.
49 Prozent nennen als wichtigsten Grund für die Ausweitung der Arbeitszeit die Erzielung eines höheren Einkommens, 17 Prozent möchten dadurch später eine höhere Rente bekommen. Darüber hinaus geben 16 Prozent an, Freude an der Arbeit zu haben. 8 Prozent äußern schließlich, durch eine höhere Stundenzahl beruflich vorankommen zu wollen.
Rund zwei Fünftel der Befragten gibt allerdings an, dass ihre Vorgesetzten bzw. der Arbeitgeber eine Aufstockung ablehnen. Darüber hinaus äußert insgesamt ein Drittel der Beschäftigten, dass sich eine Aufstockung für sie finanziell kaum lohnen würde. Diese Einschätzung trifft dabei besonders auf Beschäftigte mit aktuell niedrigeren Einkommen zu (42 bis 44 Prozent der Befragten in den Einkommensklassen bis unter 1.000 und 1.000 bis 1.500 Euro netto). Vermutlich spielen hier fiskalische Gründe (u.a. Grenzbelastung, Progressionseffekte bei Steuern und Abgaben) eine Rolle.
Eine mögliche Verringerung der Arbeitsstunden wird häufig mit dem Wunsch nach mehr Zeit für die Familie oder für sich selbst begründet. Fast neun Zehntel nennen einen dieser Gründe. Zugleich berichten auch 39 Prozent der Beschäftigten von einem Verkürzungswunsch aufgrund einer zu hohen Arbeitsbelastung im Job und ein Drittel (33 Prozent) wünscht sich eine Reduktion aus gesundheitlichen Gründen. Der häufigste Hinderungsgrund für eine Arbeitszeitverkürzung ist ökonomischer Natur: Zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) mit einem Kürzungswunsch können sich eine Reduktion ihrer Stundenzahl finanziell nicht leisten. Zudem stehen häufig die Vorgesetzten oder der Arbeitgeber der Umsetzung einer gewünschten Arbeitszeitverkürzung entgegen (37 Prozent) – ähnlich wie bei den Befragten, die gern mehr arbeiten würden. Fast die Hälfte der Befragten geht zudem davon aus, dass sie bei einer Arbeitszeitverkürzung die Arbeit nicht mehr schaffen würden.
Lage der Arbeitszeit
81 Prozent der Befragten geben an, dass es (fast) immer oder oft gelingt, auf familiäre und private Interessen bei der Arbeitsplanung Rücksicht zu nehmen. Ein Fünftel aller Befragten schafft es dagegen nur selten oder (fast) nie (19 Prozent). Von diesen Befragten bedeutet dies für 48 Prozent eine hohe oder sehr hohe Belastung.
25 Prozent der Befragten arbeiten im Schichtdienst. Männer sind hier mit 10 Prozentpunkten Vorsprung stärker vertreten als Frauen (30 vs. 20 Prozent). Von Nachtarbeit sind im Land Bremen 12 Prozent der Beschäftigten betroffen, bei den Männern sind es 14 Prozent und bei den Frauen 8 Prozent.
Bei regelmäßiger Arbeit an Sonn- und Feiertagen (gesamt 19 Prozent), Vertrauensarbeit (gesamt 34 Prozent) und Gleitzeit (gesamt 45 Prozent), Arbeit auf Abruf (gesamt 5 Prozent) sowie bei festgelegten Beginn- und Endzeiten (gesamt 54 Prozent) sind keine oder eher geringe Unterschiede zwischen den Geschlechtern auszumachen. Im Vergleich zu Beschäftigten mit Gleitzeit oder Vertrauensarbeitszeit gelingt es den Befragten mit Schichtarbeit, Wochenend- und Nachtarbeit oder Arbeit auf Abruf viel seltener oder (fast) nie, Privates und Familiäres mit der Arbeitszeitplanung unter einen Hut zu bekommen.
Arbeitszeitkultur
73 Prozent der Beschäftigten schätzen ihren Arbeitgeber als grundsätzlich offen für die Arbeitszeitwünsche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, von den Teilzeitbeschäftigten finden das sogar 82 Prozent. Allerdings stimmt zugleich etwa ein Drittel (35 Prozent) der Einschätzung zu, dass sich ihr Arbeitgeber mit Wünschen nach flexiblen Arbeitszeiten schwertue. Außerdem findet auch mehr als ein Drittel der Befragten (37 Prozent), dass Wünsche nach weniger Stunden von ihrem jeweiligen Arbeitgeber kritisch gesehen würden. Umgekehrt werden drei Fünfteln der Befragten zufolge Teilzeitbeschäftigte von ihrem Arbeitgeber informiert, wenn sich eine Gelegenheit zur Stundenaufstockung ergibt. Diese Ergebnisse sind zusammengenommen also nicht ganz eindeutig und eher als ambivalente Einschätzungen einzuordnen. Dabei fällt das Urteil der Teilzeitbeschäftigten insgesamt positiver aus als das der Vollzeitbeschäftigten.
Drei Viertel der befragten Beschäftigten (78 Prozent) meinen, ihr Arbeitgeber setze für Führungspositionen in der Regel eine Vollzeittätigkeit voraus. Dabei zeigen sich Männer und Vollzeitbeschäftigte (85 und 83 Prozent) hiervon weitaus deutlicher überzeugt als Frauen und Teilbeschäftigte (71 und 67 Prozent).
Die Befragung zeigt auch, wie wichtig die betriebliche Arbeitszeitpolitik für das Gewinnen und Halten von Personal ist. Denn insgesamt 35 Prozent der Befragten, die sich eine Verlängerung oder Verkürzung ihrer Arbeitszeit wünschen, geben an, schon einmal über einen Wechsel des Arbeitgebers nachgedacht zu haben, um sich diesen Wunsch erfüllen zu können.
Voll- und Teilzeitarbeit im Vergleich
97 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten und 90 Prozent aller Teilzeitkräfte geben an, dass sie sich bewusst für die Arbeit in Vollzeit bzw. Teilzeit entschieden haben. Als häufigster und wichtigster Grund für die Arbeit in Vollzeit wird von den Vollzeitbeschäftigten das Einkommen genannt.
Bei den Teilzeitbeschäftigten liegen die Gründe für ihr Arbeitszeitmodell vor allem im privaten Umfeld. Zeit für die Familie zu haben, bildet den häufigsten und wichtigsten Grund für eine Teilzeittätigkeit. Für ein Drittel der Beschäftigten mit Kindern sind darüber hinaus fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten ein Grund, warum in Teilzeit statt in Vollzeit gearbeitet wird. Hier liegen also Beschäftigungspotenziale brach, weil es an Möglichkeiten zur Tagesbetreuung fehlt. Insgesamt spiegeln sich in den Einschätzungen der Befragten bei den Themen Beförderung und Weiterbildung Unterschiede zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten in der betrieblichen Realität wider, die Teilzeitbeschäftigte – und damit überwiegend Frauen – zumeist benachteiligen.
Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzkontext
Bei etwas weniger als der Hälfte der Beschäftigten im Land Bremen (44 Prozent) beinhaltet die Arbeit auch körperliche Arbeitstätigkeiten. 41 Prozent dieser Beschäftigten erachtet dies als hoch belastend, vor allem in den Reinigungs-, Fertigungs-, Gesundheitsberufen und bei Tätigkeiten im Lebensmittel- und Gastgewerbe. 30 Prozent aller Befragten stellen fest, dass sie ihre Arbeit häufig in emotional belastende Situationen bringt. 58 Prozent der Beschäftigten sehen sich genötigt, häufig sehr schnell zu arbeiten. Bei einer knappen Hälfte (47 Prozent) staut sich Arbeit aufgrund unregelmäßigen Arbeitsanfalls an. Über ein Drittel (41 Prozent) zeigt sich überzeugt, oft nicht genug Zeit für alle Arbeitsaufgaben zu haben. Ebenfalls mehr als ein Drittel (34 Prozent) gibt an, häufig Überstunden machen zu müssen. Rund die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (49 Prozent) berichtet insgesamt von gestiegenem Stress und Arbeitsdruck im Zeitraum der letzten drei Jahre. Davon erlebt jede/-r Zweite (55 Prozent) diese Stresszunahme als Belastung.
Gestaltungsmöglichkeiten und Betriebskultur
Drei Viertel der bremischen Arbeitnehmerschaft (76 Prozent) geben an, in hohem Maße über Entscheidungsfreiräume bei der Aufgabenerledigung zu verfügen und mehr als zwei Drittel der Befragten (70 Prozent) erleben ihre Arbeitstätigkeit als abwechslungsreich. Auf die Menge der übertragenen Arbeit kann hingegen nur ein Drittel (32 Prozent) hohen Einfluss nehmen. 65 Prozent der Befragten mit wenigen Gestaltungsfreiräumen am Arbeitsplatz wären solche Spielräume wichtig. Und 57 Prozent der Arbeitskräfte ohne abwechslungsreiche Tätigkeit wäre es wichtig, mehr Tätigkeitsvielfalt am Arbeitsplatz verwirklicht zu sehen. Außerdem würden sich 59 Prozent der Beschäftigten wünschen, die auf die übertragene Arbeitsmenge keinen oder kaum Einfluss haben, diesbezüglich mitgestalten zu dürfen.
Homeoffice
42 Prozent der Beschäftigten im Bundesland Bremen arbeiten zur Befragung 2023 zumindest gelegentlich aus dem eigenen Zuhause für den Arbeitgeber. Dieser Anteil hat sich nach dem starken pandemiebedingten Anstieg seit der letzten Befragung auf diesem hohen Niveau verstetigt (2021: 42 Prozent, 2019: 19 Prozent). Die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten, die Home-Office in Anspruch nehmen, sind fast zur Hälfte im Rahmen von Betriebs- oder Dienstvereinbarungen (46 Prozent), bei knapp einem Fünftel mündlich (21 Prozent), bei einem Zehntel als Zusatz zum Arbeitsvertrag und bei 8 Prozent tariflich geregelt. Bei 15 Prozent der Beschäftigten sind die Arbeitsbedingungen für die Arbeit zu Hause gar nicht geregelt.
Fast zwei Drittel aller Beschäftigten werten das Arbeiten von Zuhause als vorteilhaft (62 Prozent). Beschäftigte in den mittleren Altersgruppen sind diesbezüglich generell positiver gestimmt (25 bis 34 Jahre: 68 bis 69 Prozent) als jüngere oder ältere Beschäftigte (15 bis 24 Jahre: 55 Prozent; 45 bis 67 Jahre: 55 bis 60 Prozent). Im Vergleich der Berufsgruppen erfährt Home-Office insbesondere hohe Zustimmung bei Beschäftigten in IT- und naturwissenschaftlichen sowie unternehmensbezogenen Dienstleistungen (76 und 75 Prozent), aber auch in Berufen der Unternehmensführung und -organisation (75 Prozent).
Identifikation und Anerkennung
81 Prozent der Beschäftigten im Land Bremen identifizieren sich in hohem Maße mit der eigenen Arbeit. Überdies sind 69 Prozent auch in hohem Maße davon überzeugt, mit ihrer Arbeit einen gesellschaftlich relevanten Beitrag zu leisten.
Allerdings gibt es eine Lücke zwischen der gesellschaftlichen Relevanz, die die Beschäftigten ihrer Arbeit zumessen, und der empfundenen gesellschaftlichen Anerkennung des eigenen Berufs. Insbesondere Beschäftigte aus medizinischen und nicht-medizinischen Gesundheitsberufen, Lebensmittel- und Gastgewerbeberufen sowie sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen beurteilen die gesellschaftliche Anerkennung ihres Berufs wie schon bei der Befragung 2021 zurückhaltend.
Mit dem Arbeitsverdienst sind insgesamt 31 Prozent der Befragten nicht zufrieden. Überproportional betrifft dies Beschäftigte in Lebensmittel- und Gastgewerbeberufen (45 Prozent), Gesundheitsberufen (37 Prozent), Fertigungsberufen (53 Prozent) sowie Beschäftigte aus kulturellen und sozialen Dienstleistungsberufen (39 Prozent).
Gesundheit
Der allgemeine Gesundheitszustand wird von den Beschäftigten mehrheitlich (60 Prozent) als gut bzw. sehr gut wahrgenommen, 13 Prozent betrachten ihren Gesundheitszustand als weniger gut oder schlecht. Dabei spielen Alter, soziale und berufliche Lage bei der Bewertung des Gesundheitszustands eine wichtige Rolle. Die Beschäftigten wurden auch gefragt, inwieweit die persönliche Arbeitstätigkeit ihre Gesundheit beeinflusst. Nur ein Fünftel der Befragten konstatiert einen positiven Einfluss (19 Prozent), zwei Fünftel dagegen eher einen negativen Einfluss der Arbeit auf die eigene Gesundheit. Einen überwiegend negativen Einfluss sehen vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Lebensmittel- und Gastgewerbeberufen und Gesundheitsberufen.
Etwas mehr als ein Viertel der Befragten (26 Prozent) glauben mit Blick auf ihre subjektiv eingeschätzte Arbeits- und Leistungsfähigkeit nicht, ihre derzeitige Tätigkeit bis zum regulären Rentenalter ausüben zu können. Lediglich 60 Prozent der Beschäftigten berichten aber, dass ihr Arbeitgeber in den letzten zwei Jahren Maßnahmen zur Gesundheitsförderung angeboten hat.
Das Phänomen des „Präsentismus“, also krank zur Arbeit zu gehen, hat im Vergleich zu den vergangenen Erhebungswellen wieder zugenommen. 66 Prozent der Beschäftigten geben an, trotz Krankheit gearbeitet zu haben. 2021 waren es 48 Prozent. Im Durchschnitt sind Beschäftigte aus dem Land Bremen in den letzten 12 Monaten 9 Tage bei der Arbeit anwesend gewesen, obwohl sie sich eigentlich krank fühlten (2021: 6 Tage). 7 Prozent der Befragten gaben an, an 11 bis 15 Tagen krank zur Arbeit gegangen zu sein und 12 Prozent erschienen sogar an mehr als 15 Tagen trotz Krankheit zur Arbeit. Besonders betroffen waren Beschäftigte aus dem Gastgewerbe. Im Durchschnitt sind die befragten Beschäftigten aus dieser Berufsgruppe an 14 Tagen krank zur Arbeit gegangen. Je höher die Anzahl der Tage von Arbeitspräsenz trotz Krankheit ist, desto höher ist auch der Anteil derjenigen, die die gesundheitliche Wirkung der Arbeit negativ beurteilen.
Perspektiven der beruflichen Weiterbildung
Möglichkeiten für berufliche Weiterbildung können entscheidend zur beruflichen Weiterentwicklung und zur aussichtsreichen Positionierung am Arbeitsmarkt beitragen. Eine knappe Hälfte aller Befragten (49 Prozent) gibt an, im eigenen Betrieb grundsätzlich keine Weiterbildungsmöglichkeiten vorzufinden. Bei den ältesten Beschäftigten ab 55 Jahren geben dies sogar 59 Prozent an.
Die Möglichkeiten zur Weiterbildung hängen unmittelbar mit der Unterstützung durch den Arbeitgeber zusammen. Die Weiterbildungsunterstützung differiert aber unter anderem nach der Form des Beschäftigungsverhältnisses oder dem Alter deutlich. Atypisch Beschäftigte, Teilzeitarbeitende und die älteren Jahrgänge erhalten deutlich weniger Unterstützung vom Arbeitgeber für ihre Weiterbildung als andere Gruppen. Das gilt auch für Beschäftigte in kleinen Unternehmen und in Betrieben ohne Mitbestimmung.
Die Einschätzungen zu den Möglichkeiten decken sich mit den tatsächlich absolvierten Weiterbildungen. 57 Prozent der Beschäftigten nahmen in den vergangenen zwei Jahren an einer Weiterbildung teil. Differenziert nach Berufssegmenten haben besonders Beschäftigte in den medizinischen und nicht-medizinischen Gesundheitsberufen sowie in den kulturellen und sozialen Dienstleistungsberufen von Weiterbildungsmöglichkeiten profitiert.
Dennoch bestätigt sich der Eindruck, dass im Feld der beruflichen Weiterbildung im Land Bremen noch einiges zu tun bleibt. Vor allem benachteiligte Personengruppen am Arbeitsmarkt wie an- und ungelernte oder atypisch Beschäftigte benötigen bessere Zugangschancen, um eine höhere Weiterbildungsbeteiligung sicherzustellen.
Perspektiven der Arbeitsplatzsicherheit
Nachdem sich fast jede/-r Zehnte unbefristet Beschäftigte im Land Bremen (8 Prozent) im Jahr 2021 Sorgen um die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes machte, sind es in der Befragung 2023 nur 4 Prozent. Besonders Personen mit befristeten Arbeitsverträgen (31 Prozent), aber auch Beschäftigte ohne Ausbildungsabschluss oder mit Migrationshintergrund (jeweils 9 Prozent, nur unbefristet Beschäftigte) sehen ihren Arbeitsplatz überdurchschnittlich häufig gefährdet. Etwas weniger als ein Zehntel der bremischen Arbeitnehmerschaft (7 Prozent) machen sich Sorgen, durch neue Technologien ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Zu den besorgtesten Berufsgruppen gehören Beschäftigte mit Fertigungsberufen (23 Prozent), Lebensmittel- und Gastgewerbeberufen (17 Prozent) und Verkehrs- und Logistikberufen (11 Prozent). Im Branchenvergleich wird sich am häufigsten im Verleih von Arbeitskräften (24 Prozent) gesorgt.
Im Hinblick auf die möglichen Probleme, nach einem Arbeitsplatzverlust eine neue Stelle zu finden, erwarten insgesamt 71 Prozent kaum Schwierigkeiten; 29 Prozent sehen dies hingegen problematisch. Diese Einschätzung hat sich im Vergleich zu den Vorjahreserhebungen deutlich verbessert. So rechneten 2021 nur 56 Prozent mit wenigen oder keinen Schwierigkeiten. Deutlich ausgeprägte Unterschiede gibt es zudem nach Lebensalter. Nur rund die Hälfte der 55- bis 67-Jährhigen (48 Prozent) hält es für möglich, nochmals eine neue Stelle zu finden, bei den jüngeren Alterskohorten sind es hingegen 78 bis 81 Prozent.