Künstliche Intelligenz (KI) begleitet uns bereits täglich, sei es die automatische Gesichtserkennung für Fotos im Smartphone oder bei der Nutzung diverser Streamingdienste mit ihren personalisierten Vorschlägen. Und auch in der Arbeitswelt ist KI schon länger im Einsatz, gilt sie doch als Schlüsseltechnologie für die gesamte Wirtschaft.
Bekannt sind bspw. (teil)autonome Logistiksysteme, die den Beschäftigten den genauen Routenplan vorgeben sowie nahezu jede Handlung aufzeichnen und bewerten. Ein anderes Beispiel ist Bürosoftware mit KI, die die Aktivitäten der Nutzer aufzeichnen, bewerten und ggf. sogar planen.
Somit ist KI auch ein Schlüsselthema für Betriebs- und Personalräte, welches insbesondere im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Denn während wir tagtäglich von KI begleitet und unterstützt werden, wirft der Einsatz bei den Gremien neue Fragen hinsichtlich der Gestaltung der Arbeit, des Datenschutzes sowie des Arbeitsplatzerhalts generell auf. Deshalb soll unsere neue Newsletter-Reihe eine erste Aufklärung über Künstliche Intelligenz geben und auf zentrale (Gestaltungs)Aspekte für die betriebliche Mitbestimmung eingehen.
KI - was ist das?
Obwohl wir sie alle nutzen (müssen), herrscht oft nur ein vages Verständnis darüber, was sich hinter KI verbirgt. Oder uns ist nicht bewusst, dass wir sie bereits nutzen. Traditionell wird mit KI ein Teilgebiet der Informatik bezeichnet, welches sich mit der Automatisierung von intelligentem Verhalten befasst. Sodass KI – kurz gesagt – selbstlernende Computersysteme sind, die versuchen menschliche Intelligenz nachzuahmen.
Bei unserem Eingangsbeispiel wird auf dem Smartphone die menschliche Fähigkeit, Gesichter auf Fotos zu erkennen, durch eine Software übernommen. Was sich zunächst trivial anhört – nicht zuletzt, weil es uns Menschen ohne große Anstrengung gelingt – ist bei näherer Betrachtung eine sehr komplexe Aufgabe. Damit auch das Smartphone Gesichter erkennen kann, braucht es Regeln, die ein Gesicht als Gesicht definieren.
Für jedes Erkennen weiterer Gegenstände müsste mit viel Aufwand ein komplett neues Regelwerk händisch definiert werden. Stattdessen soll das Definieren solcher Regeln automatisch, selbstlernend passieren. Das ist das Ziel von aktuellen KI-Systemen, die auf solche komplexen aber klar umgrenzten Aufgaben angewendet werden können.
Starke KI und schwache KI
Die KI, mit der wir es im Alltag sowie bei der Arbeit zu tun haben und die für die Mitbestimmung relevant ist, ist die „schwache“ KI. Die genannte Bilderkennung ist ein Beispiel dafür, ebenso wie Analysesoftwares oder Übersetzungstools. Bei all diesen „schwachen“ KIs wird automatisch ein Regelwerk erstellt, um dann damit konkrete Aufgaben, wie – „Erkenne Gesichter“, „Bewerte eine Arbeitsleistung“ etc. – zu lösen.
Unter einer „starken“ KI werden Systeme verstanden, deren Fertigkeiten und Eigenschaften einer menschlichen Intelligenz entsprechen oder sie sogar übertreffen. Diese KI kennen wir aus Science-Fiction Filmen, wo Menschen mit einem Computersystem interagieren, dessen Verhalten nicht von dem eines Menschen zu unterscheiden ist. Solche Systeme werden aber auch zukünftig nur in Filmen vorkommen, weil menschliche Intelligenz selber nur schwer definier- und damit nachbildbar ist.
Wie sieht KI im Betrieb aus? – Zwei Praxisbeispiele
In der Lagerlogistik sollen ständig Routen optimiert werden für eine schnellere Abfertigung von Aufträgen. Bei der Abarbeitung dieser Transportaufträge sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer optimierte Routen präsentiert werden, denen sie dann „nur noch nachgehen“ müssen. Gleichzeitig wird jede Abweichung von der „optimalen“ Route erfasst und gespeichert. Um überhaupt solche Routen erstellen zu können, werden zuvor die millionenfach menschlich entschiedenen und absolvierten Routen zum Trainieren genutzt. Zukünftig kann die KI neue Routen eigenständig planen und den Beschäftigten vorschlagen. Zudem kann mit so einer automatischen Routenfindung in Kombination mit (Bild)Erkennung auch ein Robotertransportsystem installiert werden, das eigenstätig Waren an Punkt A einsammelt und bei Punkt B abliefert. Das ist schon heute Realität in Logistikzentren.
Ein anderer typischer Anwendungsfall ist die Planung und Ermittlung von Arbeitsleistung bei der Nutzung von Bürosoftware. Dabei werden die einzelnen Aktionen der Beschäftigten aufgezeichnet und an das System übermittelt. Dieses bewertet dann bspw. die erledigten Aufgaben, leitet Prognosen für die zukünftige Arbeit ab und erstellt Pläne, was „am besten“ als nächstes zu tun ist. Auch hier wurde das Computersystem zuvor auf Grundlage von umfangreichen Mitarbeiterdaten trainiert. Teilweise können schon heute mit den in der Bürotätigkeit gefundenen Mustern Arbeitsabläufe (ähnlich zur Logistik) automatisiert werden.
Ein mächtiges Werkzeug, das Mitbestimmung braucht
Diese Einsatzmöglichkeiten zeigen, dass bei KI Mitbestimmung ein Muss ist. Wo KI einerseits den Beschäftigten mehr Zeit und Raum für anspruchsvolle Tätigkeiten lässt, weil monotone Arbeiten automatisiert werden, kann sie ohne Mitbestimmung auch Risiken bergen. Dazu gehört der Verlust von Arbeitsplätzen sowie das Nichtnachvollziehen von Entscheidungen basierend auf KI. Aber auch die Frage nach der Selbstbestimmung der Beschäftigten bei der Arbeit muss beachtet werden. Und nicht zuletzt ist der Datenschutz ein wichtiges Thema.
Die betriebliche Mitbestimmung kann hier einen wichtigen Beitrag leisten indem sie bereits frühzeitig bei der Planung des Einsatzes von KI einbezogen wird und „die richtigen Fragen“ an die Geschäftsführung stellt. Das sind unter anderem:
- Welche Daten werden erhoben?
- Wie werden die Daten verarbeitet?
- Wer hat Zugriff auf die Daten?
- Für welchen Zweck „lernt“ die KI?
- Was passiert mit den Daten, wenn sie nicht mehr benötigt werden?
- Entscheidet die KI autonom?
- Sind die Aussagen der KI verbindlich?
- Sind die Entscheidungen transparent und werden von einem Menschen überwacht?
- Soll KI Stellenabbau bewirken?
- Was passiert bei Abweichung von KI- Vorschlägen?
Wer tiefer einsteigen möchte: Wie funktioniert KI?
Im Prinzip sind alle aktuellen KI Systeme, die zum Einsatz kommen, künstliche neuronale Netze (KNN), die wiederum das Tiefe Lernen (deep learning) praktizieren. Ein KNN orientiert sich - wie der Name andeutet - an der neuronalen Vernetzung des menschlichen Gehirns, ist sachlich aber nichts anderes als eine Verkettung von mathematischen Funktionen. Dazu werden die einzelnen Neuronen (die mathematischen Funktionen) in Ebenen hintereinander angeordnet.
Am Anfang, d.h. auf der ersten Ebene, werden die Daten der Aufgabe – in unserem Fall die Pixel eines Fotos – eingegeben. Die letzte Ebene spuckt ein Ergebnis – „Gesicht ja/nein“ – aus, während auf allen Ebenen dazwischen die Ausgangsinformationen weiterverarbeitet werden. Dazu sind jeweils alle Neuronen einer Ebene mit allen Neuronen der nachfolgenden Ebene verbunden. Die schematisch angedeutete Verbindung in der Abbildung bedeutet, dass die mathematischen Ergebnisse von einem Neuron zum nächsten weitergegeben werden. Die Weitergabe selber kann stärker oder schwächer sein, d.h. es kann verändert werden, wie wichtig die Ergebnisse eines Neurons für die nachfolgenden sind. Das ist auch das kritische Moment von KNNs: die Stärke der Weitergabe sind die „Regeln“, in unserem Fall für die Gesichtserkennung. Was abstrakt klingt, ist es auch, denn ein KNN kennt keine Regel wie „Ein Gesicht ist rund“, sondern es hat stärkere und schwächere Verbindungen zwischen seinen mathematischen Funktionen (Neuronen). Diese kreieren am Ende einen Zahlenwert, der entweder für oder gegen ein Gesicht spricht. Ob dieser Zahlenwert aber aufgrund einer Rundung im Bild zustande kommt, lässt sich nicht sagen, weswegen KNN häufig auch als Black Boxes bezeichnet werden: niemand weiß, warum und nach welchen Kriterien das KNN zu einem Ergebnis gekommen ist.
Aber wenn die Verbindungen und ihre Stärke bestimmen, was am Ende rauskommt, sie aber keiner verbalisierten Regel folgen, wie kommen sie dann zustande? Dazu wird das bereits genannte Tiefe Lernen genutzt. Dabei werden einem KNN bspw. millionenfach Bilder mit und ohne Gesichter „vorgelegt“ und dann berechnet, ob ein Gesicht vorhanden ist oder nicht. Diese Ergebnisse werden mit der Wahrheit (also einer von einem Menschen gemachte Aussage über die Bilder) verglichen. Weicht das Ergebnis der KNN von der Wahrheit ab, werden die Verbindungen zwischen den Neuronen nach einem bestimmten Algorithmus verändert und anschließend werden die Bilder wieder dem Netzwerk vorgelegt, das erneut seine Ergebnisse bzgl. „Gesicht ja/nein“ berechnet, die dann wieder mit der Wahrheit verglichen werden, usw. Das wird solange wiederholt bis die Entscheidungen des KNN überwiegend richtig sind. Dieser Prozess ist es, was man Training oder eben „Lernen“ bei einem KNN nennt. Zwei wesentliche Punkte werden daran deutlich: erstens hat diese Form des Lernens nichts mit menschlichem Lernen zu tun (niemand muss immer wieder millionenfach Gesichter gezeigt bekommen, bis sie/er selbstständig Gesicht erkennen kann). Zweitens zeigt dieses Verfahren, wie wichtig die Daten für das Tiefe Lernen sind. Auch das macht KI für die betriebliche Mitbestimmung wichtig.
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Daniel Kühn
Berater Mitbestimmung und Technologieberatung
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