Text: Melanie Öhlenbach
Foto: Kay Michalak
Wer zu einem Assessment-Center eingeladen wird, ist dem Traumjob ein Schritt näher. Doch wie übersteht man diese Hürde?
Angela Schütte arbeitet freiberuflich als Karriereberaterin und bereitet unter anderem Studierende der Universität Bremen auf diese Herausforderung vor.
Organisatorische Fragen von Mitarbeitern und aggressive Kundenbeschwerden, Newsletter, neue Angebote und die Einladung zu einem Ausstand: In einem Postfach liegen 20 ungelesene E-Mails. Eine Stunde lang haben die Bewerberinnen und Bewerber Zeit, diese zu bearbeiten. Sie können sie beantworten, weiterleiten oder einfach löschen.Postkorb heißt dieses Szenario – ein Klassiker bei einem Assessment-Center. Ziel der Übung: „Das Entscheidungsverhalten der Bewerber testen“, sagt Angela Schütte.
Schütte coacht seit Jahrzehnten Menschen, die sich auf Stellen bewerben. Ein Assessment-Center ist dabei oft Teil des Auswahlverfahrens, vor allem bei größeren Unternehmen oder in der öffentlichen Verwaltung. „Durch Assessment-Center kann ein Arbeitgeber Rückschlüsse auf die Kompetenzen des Bewerbers ziehen, zum Beispiel wie er sich im Team verhält oder mit Stress zurechtkommt. So erhält er mehr Gewissheit, dass ein Bewerber auf die Stelle passt“, sagt die Karriereberaterin. Abstrakte Aufgaben sind dabei eher selten. „In der Regel werden realistische Situationen aus dem Alltagsalltag durchgespielt“, sagt Schütte.
Entsprechend unterschiedlich kann ein Assessment-Center aufgebaut sein. Neben der Postkorb-Übung sind Rollenspiele, Gruppendiskussionen, Intelligenztests und strukturierte Interviews typische Aufgaben, die Bewerberinnen und Bewerber ein bis zwei Tage lang gemeinsam meistern oder allein lösen sollen. Dabei stehen sie die gesamte Zeit unter Beobachtung: Bei der Auswertung einer Fallstudie interessiert zum Beispiel nicht nur die abschließende Präsentation, sondern auch die Art und Weise, wie diese entstanden ist. „Arbeitgeber wollen sehen, wie kreativ, strukturiert oder zielorientiert jemand arbeitet, ob er andere einbindet oder gute Fragen stellt“, erläutert Schütte.
„Anders als in einem Interview hat man mehr Möglichkeiten, sich darzustellen und seine Fähigkeiten zu zeigen.“
Angela Schütte
Für manche mag eine solche Situation stressig sein. Die Karriereberaterin sieht darin aber auch eine große Chance. „Anders als in einem Interview hat man mehr Möglichkeiten, sich darzustellen und seine Fähigkeiten zu zeigen. Man muss nicht nur reden, sondern kann durch Handeln überzeugen – und das bei jeder Aufgabe aufs Neue.“ Ein authentisches, aktives Auftreten ist daher für sie das A und O bei einem Assessment-Center. „Es bringt nichts, sich zu verstellen. Auch als ruhiger Typ kann man aktiv wirken, indem man Fragen stellt, Blickkontakt hält, aktiv zuhört und sich nicht zurückzieht.“
Auch in den Pausen gilt es, die permanente Beobachtungssituation nicht zu vergessen. „Sie sind keine Gelegenheit zum Lästern, sondern für Small Talk“, betont Schütte. „Seien Sie offen und interessiert und sprechen Sie mit den Beobachtern und Bewerbern über unverfängliche Themen.“
Ganz ohne Vorbereitung sollte man an einem Auswahlverfahren nicht teilnehmen. „Wer eine Einladung bekommt, kann telefonisch nachfragen, was ihn erwartet“, so die Karriereberaterin. Neben Sachliteratur und Tests im Internet hilft ein Training, die Szenarien in einem geschützten Raum zu durchlaufen. Schüttes Tipp zur Kleidung: der Stelle entsprechend, aber bequem. „Bei einem Assessment-Center kann es durchaus mal aktiver zugehen. Ein enger Rock und Schuhe mit Absätzen sind nicht ideal, wenn man sich darin nicht ungehindert und sicher bewegen kann.“
Ja, wenn ein bestimmter Personenkreis an einem AC nicht teilnehmen kann, kann eine Diskriminierung vorliegen. Hierzu können Sie sich bei der Arbeitnehmerkammer beraten lassen. Beachten Sie dabei die Frist von zwei Monaten.
Der Arbeitgeber muss dem Bewerber die Kosten des Bewerbungsverfahrens erstatten – zum Beispiel Fahrtkosten –, sofern diese Erstattung nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Dazu gehören auch Kosten für eine Übernachtung, wenn der Bewerber diese für erforderlich hält – etwa wenn die zeitliche Lage des AC die An- und Abreise am selben Tag unzumutbar macht.
Ein Freistellungsanspruch besteht nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt wurde. Sie müssen dabei Ihrem derzeitigen Arbeitgeber den Grund und die benötigte Dauer der Freistellung angeben. Den Namen des Arbeitgebers, bei dem das AC stattfindet, müssen Sie hingegen nicht mitteilen. Befinden Sie sich in einem ungekündigten Ar - beitsverhältnis, müssen Sie für das AC Urlaub beantragen.
Wie auch im klassischen Vorstellungsgespräch dürfen auch im AC nur Fragen gestellt werden, bei denen im Hinblick auf Tätigkeit und Arbeitsplatz ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht. Der Arbeitgeber darf Sie nicht fragen, ob Sie Mitglied in einer Partei oder Gewerkschaft sind oder welcher Religion Sie angehören. Bei unzulässigen Fragen hat der Bewerber ein „Recht zur Lüge“, da ein Schweigen möglicherweise zum Nachteil des Bewerbers ausgelegt werden könnte.
Normalerweise ist die Feedbackrunde Teil des AC. Findet jedoch kein Feedbackgespräch statt, dann hat der Teilnehmer hierauf auch keinen Anspruch. Sofern der Arbeitgeber einem abgelehnten Bewerber aber jeglichen Zugang zu Informationen verweigert, kann dies als Indiz für eine Diskriminierung mit der Folge von Ansprüchen auf Schadensersatz oder Entschädigung gewertet werden.