Junge Frau steht in einem Büro und schaut in die Kamera.

Schöne neue Arbeitswelt?

Wie junge Menschen in Zukunft arbeiten wollen (auf dem Foto: Lea Runck)

Sinnvolle Aufgaben übernehmen, sich weiterentwickeln und Spaß haben – viele junge Menschen haben konkrete Vorstellungen darüber, wie sie jetzt und in Zukunft arbeiten möchten. Dabei spielen Arbeitsort, Arbeitsklima und ­Arbeitsbedingungen eine ebenso wichtige Rolle wie ein angemessenes Gehalt.

Text: Suse Lübker
Fotos: Jonas Ginter

1. September 2022

Dafür gibt es viele Beispiele: Joshua Zaunick (22) wünscht sich ein inklusives und weniger hierarchisches Arbeitsumfeld. Eine sinnvolle und erfüllende Arbeit umfasst für ihn auch, dass Berufsgruppen mehr wertgeschätzt werden: „Jobs, die der Gesellschaft dienen – wie zum Beispiel Pflegerinnen oder Pfleger – müssen besser bezahlt und gefördert werden, sodass diese ein angemessenes Arbeitspensum haben“, ergänzt der Werkstudent.

Ann-Katrin Kröger studiert Kunst und Medien. Für die 25-Jährige ist ein offenes Arbeitsklima ebenso wichtig wie flexible Arbeitszeiten. Die Studentin wünscht sich außerdem „ein ausbalanciertes Arbeitsleben in einem kreativen Umfeld, bei dem ich Freude habe und angemessen für meine Leistung bezahlt werde“.

Für Lea Runck (25) ist es wichtig, dass sie sich selbst verwirklichen kann, aber die Tätigkeit sollte auch angemessen honoriert werden: „Die Arbeit nimmt einen sehr großen Teil der Lebenszeit ein, also sollte man sich selbst darin wiederfinden können – und sie muss natürlich Spaß machen. Angemessene Arbeitsbedingungen und ein vernünftiges Gehalt sollten selbstverständlich werden.“

Wünsche und Erwartungen, die Joshua, Ann-Kathrin und Lea mit vielen jungen Menschen gemein haben. Für viele Arbeitnehmer:innen unter 35 Jahren hat die Zufriedenheit im Job einen hohen Stellenwert, manche wären sogar lieber arbeitslos als unzufrieden im Job. Laut einer 2021 durchgeführten Studie des Personaldienstleisters Randstad gaben mehr als die Hälfte aller befragten Beschäftigten zwischen 18 und 24 Jahren an, dass sie ihren Job kündigen würden, wenn sie dieser unglücklich macht.

Joyce (25), Krankenpflegerin in der Jugendpsychiatrie:

"Für mich muss das Arbeitsklima stimmen. Das bedeutet, dass die Kommunikation gut funktioniert und man auch Wertschätzung und Anerkennung durch Kollegen erfährt. Außerdem wünsche ich mir Abwechslung bei der Arbeit, um die Möglichkeit zu haben, stetig Neues dazuzulernen und sich weiterzuentwickeln."

New Work – Megatrend oder Chance für Veränderung?

Was aber heißt das konkret? Was muss passieren, damit jemand, der für seinen Job brennt, nicht nach wenigen Jahren bereits am Limit ist? Seit einigen Jahren bereits geistert der Begriff „New Work“ als Vision für ein neues Verständnis von Arbeit durch die Öffentlichkeit. Dabei ist das Konzept keineswegs neu: New Work geht auf den US-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück. Der setzte sich bereits in den späten 1970er Jahren dafür ein, dass Arbeit nicht mehr als Mittel zum Zweck – also zum reinen Geldverdienen – gesehen wird, sondern als sinnstiftende, erfüllende Aufgabe. Menschen sollen, so Bergmann, herausfinden, was sie wirklich wollen und diese Leidenschaft in eine bezahlte Arbeit verwandeln. Und das tun sie am ehesten dann, wenn sie selbstbestimmt(er) und flexibler arbeiten – so lässt sich die Bergmannsche Theorie auf die Arbeitskultur übertragen. Lange Zeit war New Work ein Nischenthema, das kaum jemanden interessierte. Nach und nach aber stieg das Interesse der Öffentlichkeit, aber auch die kritischen Stimmen wurden lauter. New Work sei ein Hype und keine Realität, schreibt Ingo Hamm in seinem aktuell erschienenen Buch „Sinnlos glücklich“. Und kritisiert, dass Unternehmen es sich zu leicht machen, indem sie Tischkicker oder Espressomaschinen im Aufenthaltsraum als New Work deklarieren.

Fest steht, dass die Konzepte von Bergmann wichtige Denkanstöße für eine neue, andere Form der Arbeit geliefert haben und es immer noch tun. Durch die Globalisierung und Digitalisierung verändern sich die Strukturen in vielen Betrieben: So machen zum Beispiel immer mehr Unternehmen aus Büros Orte der Begegnung und des Austauschs. Gearbeitet wird an flexiblen Arbeitsplätzen oder im Homeoffice, die Arbeitszeiten können individuell gestaltet werden. Berufliche Auszeiten, sogenannte Sabbaticals, sind im Trend. Auch „agiles Arbeiten“ ist so ein Trend, der sich zunächst in der Softwarebranche durchgesetzt hat: Teams mit flachen Hierarchien dürfen eigenverantwortlich handeln, sind flexibler und können damit auch schneller auf Veränderungen reagieren.

Die Sparkasse Bremen hat sich auf diesen Weg gemacht. Sie ermöglicht ihren Angestellten eine Unternehmens- und Arbeitskultur, in der hierarchische Arbeitsstrukturen kaum noch eine Rolle spielen: „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt, es gibt nicht mehr den typischen Abteilungsleiter", berichtet Astrid Kahl aus dem Team Organisationsentwicklung bei der Sparkasse Bremen. Es wird agil gearbeitet, in sogenannten Kern- und Funktionsteams. „Jedes Teammitglied hat Zugang zu den entscheidenden Infos“, so Kahl, „das klappt gut und der Unternehmenserfolg gibt uns bisher recht“.

Selbst in einigen Fabriken hält agiles Arbeiten Einzug, werden Schichtbetriebe flexibler gestaltet oder Mitarbeitende in der Produktion aktiv an Planungen beteiligt. All das führt dazu, dass sie sich gern weiterentwickeln und sich wertgeschätzt fühlen – ganz im Sinne der Grundidee von Bergmann.

Nadine (25), PR- & Marketingkauffrau:

"Die Arbeit sollte flexibel und an die Bedürfnisse und Workflows der Gesellschaft angepasst sein. In vielen Bereichen wäre beispielsweise eine Vier-Tage Woche sinnvoll. Wenn ich mit meiner Arbeit etwas bewirken kann, empfinde ich sie als sinnvoll. Für ein erfüllendes Arbeitsgefühl ist es mir wichtig, in einem wertschätzenden Unternehmen tätig zu sein."

Dauererreichbarkeit nach Feierabend

Allerdings haben diese neuen Arbeitsprozesse auch ihre Schattenseiten: Kritiker:innen warnen davor, dass gerade flexible Arbeitszeiten dazu führen können, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Leben verschmelzen und in der Folge mehr Überstunden gemacht werden. Vor allem dann, wenn es im Homeoffice keine realistischen Vorgaben für das Arbeitspensum gibt oder es an genug Personal oder Vertretungsregelungen fehlt. Das ergab eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung von 2021. Besonders betroffen sind Beschäftigte in Betrieben mit häufiger Projektarbeit und knappen Deadlines. Hier würden Überstunden – so die Studie – nicht aus Begeisterung für die Arbeit geleistet, sondern um das Arbeitspensum zu schaffen. Hinzu kommt die zusätzliche Belastung durch (unbezahlte) Hausarbeit und Kinderbetreuung, die oft nebenbei und während der offiziellen Arbeitszeit erledigt wird. Angestellte werden immer mehr zu „angestellten Selbstständigen" titulierte das Handelsblatt bereits vor zehn Jahren  – sie arbeiten selbstbestimmter und unabhängiger einerseits, gleichzeitig steigt die Arbeitsbelastung durch die ständige Erreichbarkeit. In der Folge bleibt weniger Zeit, uns mit den Dingen zu beschäftigen, die uns wirklich wichtig sind. Das New Work Konzept wird also ad absurdum geführt. Ähnlich sieht es auch Lea Runck. Die Studentin wünscht sich zwar flexible Arbeitszeiten, warnt aber auch davor, dass die Arbeit sich zu sehr mit dem Privatleben vermischt: Sie findet es wichtig, „dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber frühzeitig nach Lösungen suchen, damit die Arbeit nicht auch beim Abendessen mit der Familie Thema wird." Lea Runck unterstützt neben ihrem Studium zwei Unternehmen bei der Öffentlichkeitsarbeit.

Hanna (18), Freiwilliges Soziales Jahr:

"Ich brauche ein freundliches Arbeitsklima und die Möglichkeit verschiedene Aufgaben zu übernehmen. Ich möchte nicht immer an feste Arbeitszeiten gebunden sein. Außerdem hilft es mir, wenn mir Vertrauen entgegengebracht wird und ich Verantwortung übernehmen kann."

Eine privilegierte Diskussion?

Arbeitsglück durch flache Hierarchien, die Espressomaschine im Großraumbüro oder freie Zeiteinteilung im Homeoffice? Für Regine Geraedts, Arbeitsmarktexpertin bei der Arbeitnehmerkammer, sind das privilegierte Diskussionen, bei denen sie nicht das Wohl der Beschäftigten im Vordergrund sieht. „New Work ist eine Managementmethode, nicht mehr und nicht weniger. Manche Unternehmen versprechen sich davon mehr Effizienz, mehr Produktivität und mehr Wendigkeit am Markt und zwar insbesondere da, wo gut bezahlte Mitarbeiter:innen arbeiten“, so Geraedts. Im Niedriglohnsektor ginge es dagegen bei vielen um die Existenz, darum irgendwie durch den Tag, die Woche und den Monat zu kommen. „Die Polarisierung der Arbeitswelt nimmt zu“, erläutert Geraedts. „Umso wichtiger ist es, für die Humanisierung der Arbeit für alle einzustehen: Durch guten Lohn, gesunde Arbeitsbedingungen, Entwicklungsmöglichkeiten und kollektive Mitbestimmung.“

Marvin (26), Medizinstudent, ausgebildeter Krankenpfleger:

"Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass Ausbildungsberufe mehr in der Fokus geraten. Weg von dem Gedanken, dass jeder Abitur machen und studieren muss, um ein erfülltes und einfaches Leben zu haben. Ausbildungen sind der erste Schritt ins Arbeitsleben und können viele positive Entwicklungen hervorbringen."

Fest steht, dass das Thema New Work in den Branchen, die von der Digitalisierung profitieren und flexible Arbeitszeiten nutzen, gut voranschreitet. Ob das Konzept ein Allheilmittel für eine bessere Arbeitswelt mit zufriedeneren Beschäftigten jetzt und in der Zukunft bietet, ist jedoch offen.