Was darf ich als Beschäftigter sagen?

Die Grenzen der Meinungsfreiheit im Job

Immer wieder kommt es vor, dass Beschäftigte in sozialen Medien etwa durch rassistische, antisemitische oder sexistische Äußerungen auffallen. Manchmal bekommen sie dafür sogar eine fristlose Kündigung. Das wirft arbeitsrechtliche Fragen auf.

Wann drohen Beschäftigten arbeitsrechtliche Konsequenzen, wenn sie sich im privaten Rahmen äußern – beispielsweise auf Partys, Demonstrationen, in Chats, sozialen Medien oder auf Internetplattformen?      

Kaarina Hauer: Grundsätzlich können Arbeitgeber ihren Beschäftigten keine Vorgaben machen, wie sie sich im privaten Bereich zu verhalten haben. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen. Dabei kommt es auf den konkreten Einzelfall an. Darüber hinaus muss man bei den rechtlichen Konsequenzen unterscheiden: Ein Fehlverhalten kann strafrechtlich relevant sein und zivilrechtliche Schadensersatzansprüche auslösen. Arbeitsrechtlich gilt im Falle einer Kündigung aber der Maßstab und Schutz des Kündigungsschutzgesetzes.

Schwierig wird es für Beschäftigte immer dann, wenn sie sich krass daneben verhalten und man daraus negative Rückschlüsse auf den Arbeitgeber ziehen kann. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn Beschäftigte im konkreten Fall Dienstkleidung tragen. Bei Personen, die im öffentlichen Fokus stehen, darf man auch außerhalb der Dienstzeiten erwarten, dass sie im Einklang mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung handeln. Hier können strengere Maßstäbe angesetzt werden. Das gilt beispielsweise für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes oder Beamte/-innen.

Gibt es dazu schon konkrete Rechtsprechung?

Die Rechtsprechung ist hier uneinheitlich. So hatte zum Beispiel 2019 das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Az.: 13 Sa 371/18) geurteilt, dass selbst bei sehr gravierendem Fehlverhalten eine direkte Vertrags- oder eine Interessenverletzung des Arbeitgebers notwendig ist, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Die Begründung: Beschäftigte schulden in der Freizeit kein Wohlverhalten und stehen dann auch nicht im Einflussbereich des Arbeitgebers.

Das Bundesarbeitsgericht (Az. 2 AZR 17/23) wiederum hat 2023 einen anderen Ansatz gewählt: Es urteilte über die Frage, ob Beschäftigte sich auf die Privatsphäre und Vertraulichkeit berufen können, nachdem sie sich in einer WhatsApp-Gruppe menschenverachtend, rassistisch und sexistisch über Kollegen/-innen und Vorgesetzte geäußert haben. Hier kam es darauf an, wie groß der Adressatenkreis einer WhatsApp-Gruppe ist und ob man davon ausgehen kann, dass die Information in diesem Kreise verbleibt. Der Schutz der Vertraulichkeit greift nicht in jedem Fall! Es macht auch einen Unterschied, ob man etwas auf Instagram postet oder in einer kleinen WhatsApp-Gruppe. Außerdem kommt es auf das individuelle Fehlverhalten an.

"Schwierig wird es für Beschäftigte immer dann, wenn der Arbeitgeber oder Kollegen/-innen beleidigt, gedemütigt oder diffamiert werden."


Kaarina Hauer ist Leiterin Rechtspolitik und -beratung bei der Arbeitnehmerkammer Bremen

In welchen Fällen kann ich als Beschäftigter dafür sogar eine (fristlose) Kündigung bekommen?

Zunächst einmal ist der konkrete Einzelfall zu bewerten. Auch ist entscheidend, ob das Verhalten im privaten Umfeld erfolgt ist und ob der Beschäftigte darauf vertrauen durfte, dass sein Verhalten das private Umfeld nicht verlässt. Schwierig wird es für Beschäftigte auch immer dann, wenn der Arbeitgeber oder Kollegen/-innen beleidigt, gedemütigt oder diffamiert werden.

Welche anderen arbeitsrechtlichen Folgen können drohen?

Die Klaviatur der arbeitsrechtlichen Konsequenzen ist groß: Je nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt reicht sie vom Personalgespräch über eine Ermahnung oder Abmahnung über die Kündigung bis hin zur fristlosen Kündigung.

Welche privaten Äußerungen sind von der Meinungsfreiheit gedeckt – und schützt mich das vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen?

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1958 festgestellt, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung der unmittelbarste Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft und das vornehmste Grundrecht überhaupt ist. Ohne dieses kann unser demokratischer Rechtsstaat nicht funktionieren. 

Als Grundsatz ist deshalb festzuhalten: Auch im Arbeitsleben gilt das Grundrecht der freien Meinungsäußerung. Ich habe im Betrieb das Recht, eine eigene Meinung zu haben und darf diese auch frei äußern und in jeder Form verbreiten. Sei es in einer WhatsApp-Gruppe, auf Facebook oder auf X. Auch ist grundrechtlich geschützt, dass ich mit meiner Meinung etwas bewirken möchte.

Um unter den Schutz dieses Grundrechtes zu fallen, kommt es aber maßgeblich darauf an, ob eine Meinung oder eine Tatsache verbreitet wird. Eine falsche Tatsache ist nicht vom Grundrechtschutz umfasst. Wird also der Holocaust geleugnet, handelt es sich nicht um eine Meinung, sondern um eine falsche Tatsachenbehauptung, die zudem noch unter Strafe steht.

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung kann jedoch in Einzelfällen eingeschränkt werden – aufgrund von Gesetzen oder anderen Grundrechten. Insbesondere das Grundrecht auf die Unantastbarkeit der Würde des Menschen ist nicht zu relativieren oder durch die Meinungsfreiheit einzuschränken. Man kann sich also nicht auf das Recht der freien Meinungsäußerung berufen, in dem man unwahre Tatsachen oder verletzende Äußerungen über Kollegen/-innen verbreitet. 

Welche Rechte habe ich als Arbeitnehmer/-in, wenn mich mein Arbeitgeber wegen privater Äußerungen sanktioniert?

Da es immer auf den Einzelfall ankommt, raten wir die arbeitsrechtlichen Konsequenzen überprüfen zu lassen. Im Falle einer Kündigung wäre insbesondere auf die dreiwöchige Klagefrist zu achten.

Fragen: Jan Zier
Foto: iStock
14. Juni 2024