Wer ein höheres Gehalt durchsetzen möchte, sollte sich gut auf das entsprechende Gespräch vorbereiten, rät Coachin Imke Leith.
Text: Anne-Katrin Wehrmann
Foto: Kay Michalak
1. Juli 2024
BAM: Frau Leith, wie oft sollten Arbeitnehmende Gehaltsverhandlungen führen?
Imke Leith: Ganz allgemein: alle 18 bis 24 Monate. Außerdem am Ende einer Probezeit und bei der Änderung eines Arbeitsvertrags – also zum Beispiel beim Wechsel von einem befristeten zu einem unbefristeten Vertrag oder nach einer Beförderung in eine höhere Position. Auch wenn man in eine andere Abteilung wechselt oder in seiner Position mehr Verantwortung oder mehr Aufgaben übernimmt, ist das noch einmal eine Chance. Jede Art von Wechsel ist immer eine Chance, das Gehalt neu zu verhandeln.
Wie bereite ich mich gut auf so ein Gespräch vor?
Auf jeden Fall braucht es dafür einen Termin, damit sich auch das Gegenüber vorbereiten kann. Ganz wichtig ist es, sich vorher die eigenen Erwartungen und Ziele klarzumachen. Ich muss wissen, was ich mindestens haben möchte – und dann das Gespräch mit einer deutlich höheren Zahl beginnen. Die erste Zahl ist der Anker, an dem sich alles Weitere orientiert. Die Vorgesetzten müssen sich positionieren können, darum braucht es da einen Puffer. Oft hilft es auch, sich in die Lage des Gegenübers hineinzuversetzen: Was ist mein Mehrwert für das Unternehmen? Wodurch habe ich Geld in die Kasse gebracht oder gespart? Welchen Beitrag habe ich konkret geleistet? Das sind immer die besten Argumente.
Wie finde ich heraus, was ich realistischerweise fordern kann?
Zwischen fünf und zehn Prozent an Gehaltserhöhung ist immer realistisch. Wenn ich einen höheren Posten übernehme, sollten es schon 20 Prozent sein, weil ich dann ja auch mehr Verantwortung habe. Ich kann nach allem fragen, aber ich werde nicht alles bekommen, das muss mir klar sein. Gehaltsverhandlungen sind wie Tango tanzen, darum ist die Vorbereitung so wichtig. Beim Tango lernt man ja auch ein paar Grundschritte, bevor es losgeht – und vor allem: Beide Tanzpartner sind gleichberechtigt. Es ist ein Wechsel aus Druck reingeben und zurückgehen. Viele machen den Fehler zu glauben, dass es das Ende der Verhandlungen ist, wenn der Chef oder die Chefin sagt: Das geht nicht. Nein, das ist erst der Anfang.
Das ist ja ein schönes Bild mit der Gleichberechtigung, aber faktisch gibt es doch eine Hierarchie im Unternehmen. Wie gelingt es mir, tatsächlich eine gleichberechtigte Gesprächsposition zu erreichen?
Das ist die innere Haltung, da spielt das Thema Selbstwert eine entscheidende Rolle. Häufig führen Vorgesetzte in solchen Gesprächen auf, was vielleicht nicht so optimal gelaufen ist. Und das bringt dann viele total aus dem Konzept, wenn sie sich vorher nicht damit auseinandergesetzt haben. Wer aber souverän damit umgehen kann, zu seinen Fehlern steht und die eigene Leistung in den Vordergrund stellt, behält das Zepter in der Hand. Es ist völlig okay, nicht perfekt zu sein. Die Unternehmen machen auch ständig Fehler, die Vorgesetzten auch. Darum ist es wichtig, bei sich zu bleiben und sich selbst wertzuschätzen.
Warum fällt es Frauen generell schwerer, über ihr Gehalt zu verhandeln?
Frauen haben oft eine geringe Wertschätzung gegenüber ihren eigenen Talenten. Besonders dann, wenn ihnen die Arbeit Spaß macht und leichtfällt – und wenn der Job geprägt ist durch den Einsatz von Softskills wie Empathie, Flexibilität und Organisation. Softskills lassen sich nicht leicht in Kennzahlen messen und werden darum bis heute in der Wirtschaft nicht ausreichend geschätzt, denn dort geht es vor allem um Zahlen, Daten und Fakten. Trotz aller Emanzipation sind Frauen noch immer überwiegend auf Höflichkeit, Harmonie, Zurückhaltung und Bescheidenheit gepolt. Das hat Auswirkungen auf die Gehaltsverhandlungen.
Welchen Rat haben Sie denn konkret für Frauen, mit mehr Selbstsicherheit in so ein Gespräch zu gehen?
Vorbereitung ist alles. Hilfreich ist, einmal alles aufzuschreiben, was der alltägliche Job beinhaltet: Meistens ist das nämlich mehr, als anfangs in der Stellenausschreibung stand. Das liefert gute Argumente für die Verhandlung und stärkt die Selbstsicherheit. Ein weiterer Tipp: Verhandeln üben. Frauen reden sich manchmal um Kopf und Kragen und beantworten Fragen, die gar nicht gestellt wurden. Das muss nicht immer ein Coaching oder Seminar sein, es können auch Gespräche mit Freunden und Kollegen sein. Gerade auch mit männlichen, denn Männer diskutieren weniger, die fordern einfach. Und das lässt sich üben.
Was sind die häufigsten Fehler, die in Gehaltsverhandlungen gemacht werden?
Der häufigste Fehler ist es, den eigenen Wert nicht zu kennen, also nicht vorbereitet zu sein. Außerdem: die Mindestforderung preiszugeben, zu schnell klein beizugeben, Mutterpausen als Nachteil zu verkaufen oder mit einem Harmoniebedürfnis in das Gespräch zu gehen. Du musst deine Tanzschritte kennen, wenn du erfolgreich verhandeln willst. Denn Fakt ist: Du bekommst nicht unbedingt das, was du verdienst – sondern das, was du verhandelst.
Wie lautet Ihr ultimativer Verhandlungstipp?
Die Verhandlung beginnt, bevor gesprochen wird, und zwar mit dem Auftreten, der Körpersprache. Das ist vielen nicht bewusst. Für eine souveräne Ausstrahlung ist die Vorbereitung und die innere Haltung der Schlüssel zum Erfolg. Wenn ich gut vorbereitet bin und das Gefühl habe, ein höheres Gehalt wert zu sein, habe ich automatisch die Schultern aufrecht und eine ruhige, selbstsichere Körpersprache. Frauen gebe ich gern den Tipp, sich zu trauen, mehr Raum einzunehmen. Zum Beispiel mit der Gestik. Und sich zwischendurch auch mal entspannt zurücklehnen, denn damit strahle ich aus: Ich habe das verdient.