Gesunde Mitarbeitende sind das A und O eines Betriebs. Was können Beschäftigte für ihre Gesundheit tun? Und welche Verantwortung hat der Arbeitgeber?
Text: Insa Lohmann
Illustrationen: Janna von Lührte
1. Juli 2024
„Wer rastet, der rostet“ oder „Sich regen bringt Segen“, heißt es. Schon der alltägliche Sprachgebrauch deutet an, was zu wenig Bewegung mit den Menschen macht. Verspannungen, Kopfweh oder Rückenschmerzen gehören zum Alltag vieler Beschäftigter. Schuld daran ist oftmals die Haltung: schiefes Sitzen, eine falsche Kopfhaltung oder eine verkrampfte Schulterpartie. Vor allem Büroangestellte können davon ein Lied singen. Aber auch in Berufen, in denen Arbeitnehmende viel stehen, wird insbesondere der Rücken stark beansprucht. Die gute Nachricht: Man kann den Symptomen vorbeugen – mit einem gesund eingerichteten Arbeitsplatz und genügend Bewegung im Job.
Ein gesunder Arbeitsplatz ist Chefsache
„Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, die Arbeit so zu gestalten, dass Gesundheitsgefährdungen vermieden oder so gering wie möglich gehalten werden“, sagt Kai Huter, Referentin für Arbeitsschutz- und Gesundheitspolitik bei der Arbeitnehmerkammer Bremen. Das fängt mit der richtigen Ergonomie der Möbel an: „Für sitzende Tätigkeiten ist es wichtig, dass die Schreibtischhöhe an die Körpergröße angepasst werden kann, um für eine aufrechte Haltung zu sorgen“, so die Expertin. Auch die Wahl des Bürostuhls, dessen Höhe und Lehnen auf den Arbeitnehmenden ausgerichtet werden sollten, spielt eine Rolle für eine gesunde Haltung. Huter: „Der Bürostuhl sollte dem Stand der Technik entsprechen, muss aber auch passend eingestellt sein. Falls Beschwerden auftreten, sind neben den Vorgesetzten auch Betriebsärzte und -ärztinnen, Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder der Betriebsrat erste Ansprechstellen im Betrieb.“ Der Tisch sollte im Idealfall vollständig höhenverstellbar sein, sodass ein Teil der Arbeit im Büro zwischendurch im Stehen verrichtet werden kann. „Der Tisch sollte groß genug sein, damit Bildschirm und Tastatur flexibel angeordnet werden können. Angestellte sollten zudem genug Beinfreiheit und ausreichend Platz haben, damit sie unterschiedliche Haltungen einnehmen können“, erläutert Kai Huter.
„So klein wie möglich anfangen, es muss nicht immer gleich das ganz große Paket sein.“
Lutz Gudehus
Was Beschäftigte tun können
Aber natürlich macht ein ergonomisch idealer Schreibtisch allein noch keinen gesunden Arbeitsplatz aus. Auch Arbeitnehmende selbst sind gefordert. Eigentlich wissen wir es alle: Der Körper braucht Bewegung. Doch zwischen Arbeit, Familie und Freizeit und Terminstress schaffen es viele Menschen nicht, auf die empfohlenen 7.000 bis 8.000 Schritte zu kommen. „Wir bewegen uns viel zu wenig“, sagt Lutz Gudehus, Physiotherapeut und Experte für Gesundheit am Arbeitsplatz. 60 Prozent der Erwachsenen in Deutschland bewegen sich täglich weniger als eine oder sogar nur eine halbe Stunde. Fast die Hälfte der Arbeitsplätze hierzulande sind sogenannte Sitzplätze. Achteinhalb Stunden täglich verbringen Menschen sitzend, zwei von zehn sogar neun Stunden und länger. Wer viele Stunden ohne Bewegung am Schreibtisch verbringe, könne das auch mit einem mehrmaligen Besuch im Fitnessstudio nicht ausgleichen, verdeutlicht Lutz Gudehus. Die lange Inaktivität sei auch der Grund für zahlreiche Beschwerden wie Rücken-, Nacken- oder Kopfschmerzen, die besonders Menschen in Bürojobs zum Verhängnis werden. „Der Organismus ist auf Bewegung ausgelegt“, sagt Gudehus. Dauersitzen ist ungesund: Es senkt den Energieumsatz und behindert den Abbau von Blutfetten. Der Mangel an Bewegung steigert außerdem das Risiko für Übergewicht und chronische Erkrankungen wie Diabetes, Herz- und Kreislauferkrankungen und sogar Krebs.
Mehr Bewegung im Alltag
Wer für mehr Bewegung im Alltag sorgt, bringt nicht nur Herz und Kreislauf in Schwung, sondern steigert auch den Energieumsatz und fördert das körperliche und seelische Wohlbefinden. Und damit kann man gleich auf der Arbeit starten: „So klein wie möglich anfangen, es muss nicht immer gleich das ganz große Paket sein“, sagt Lutz Gudehus, der Mitarbeitende und Unternehmen in Sachen Gesundheitsförderung berät und weiß, worauf es bereits im Arbeitsalltag ankommt. „Entscheidend ist, dass man sich so oft wie möglich bewegt: ob im Auto, am Schreibtisch oder in Meetings. Dafür reichen schon Mikroübungen aus, wie an Ort und Stelle Schultern lockern.“
„Entscheidend ist, dass man sich so oft wie möglich bewegt.“
Lutz Gudehus
Vor allem Arbeitnehmende, die den Großteil ihres Jobs im Sitzen verrichten, sollten regelmäßig die Position wechseln: zwischendurch aufstehen, im Stehen telefonieren oder auch Besprechungen im Stehen abhalten. Gudehus hat Unternehmen beraten, die ihre Meetings inzwischen stehend durchführen: „Die Mitarbeitenden waren produktiver“, berichtet der Gesundheitsexperte. Der Grund dafür ist simpel: Bewegung schüttet Hormone aus, die Leistungsfähigkeit steigt.
Langes Stehen strapaziert auch
Obwohl Stehen die Bandscheiben weniger belastet als Sitzen, beansprucht auch dauerhaftes, langes Stehen im Arbeitsalltag die Menschen – vor allem den Rücken. 54,4 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin häufig im Stehen. Allein in den zwei häufigsten Frauenberufen, Friseurin und Verkäuferin, stehen täglich rund 1,5 Millionen Frauen stundenlang. Aber auch Pflegekräfte und Personal in Gaststätten oder am Fließband sind betroffen. Das lange Stehen strapaziert Muskeln, Gelenke und vor allem die Wirbelsäule mit ihren Bandscheiben. Es belastet den Kreislauf, beansprucht die Blutgefäße und macht müde. Abwechslung und Bewegung ist also auch für Menschen wichtig, die überwiegend im Stehen oder körperlich arbeiten. „Die ideale Entlastung wäre kurzes Sitzen“, sagt Lutz Gudehus. Grundsätzlich gehe es immer darum, eine entlastende Bewegung oder Übung zur üblichen Arbeitshaltung zu machen. Auch Schuhwerk mit Dämpfung oder eine dämpfende Bodenmatte kann eine wichtige Entlastung während der Arbeitszeit sein. „Wie eine Entlastung für Menschen an Steharbeitsplätzen im Einzelfall aussehen kann, kann durch eine Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden“, sagt Kai Huter von der Arbeitnehmerkammer Bremen. „Neben Sitzgelegenheiten oder Stehhilfen sollte es für Beschäftigte immer die Möglichkeit geben, sich regelmäßig frei bewegen zu können.