Sie verdienen weniger Geld als Männer, arbeiten häufiger in schlecht bezahlten Berufen und haben weniger Chancen auf Karriere – für Frauen in Bremen ist es deutlich schwerer, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die Bremer Landesstrategie für Gendergerechtigkeit und Entgeltgleichheit soll Abhilfe schaffen.
Text: Suse lübker
27. Dezember 2022
Dass Frauen und Männer für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn bekommen, müsste eigentlich selbstverständlich sein. In Bremen wie auch in allen anderen Bundesländern ist das leider nicht der Fall – hier verdienen Frauen im Durchschnitt immer noch weniger als Männer. Fast ein Drittel aller erwerbstätigen Frauen sind in schlechter bezahlten Berufen tätig, in der Pflege etwa oder im Einzelhandel. Hinzu kommt, dass Frauen oft in Teilzeit und deutlich seltener in Führungspositionen arbeiten. Außerdem sind in Bremen im Bundesländervergleich besonders wenig Frauen am Erwerbsleben beteiligt. Alle Indikatoren zeigen, dass die Hürden für Frauen auf dem Arbeitsmarkt in Bremen und Bremerhaven besonders hoch sind. Warum ist das so? „Das liegt unter anderem daran, dass wir hier in Bremen einen Wirtschaftsstandort haben, der geprägt ist von männerdominierten Branchen wie Luft- und Raumfahrt, Automotive, Häfen und Logistik“, erklärt Marion Salot, Referentin der Geschäftsführung in der Arbeitnehmerkammer. „Die Wirtschaftspolitik hatte diese Branchen besonders gestärkt und davon haben Frauen leider überhaupt nicht profitiert.“
Mit einer neuen Strategie soll jetzt gezielt daran gearbeitet werden, die Perspektiven von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und eben auch die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen zu schließen.
„Bremer Landesstrategie für Gendergerechtigkeit im Erwerbsleben und Entgeltgleichheit“ lautet der sperrige Begriff – ein Projekt, das Anfang 2022 mit einem Beteiligungsverfahren gestartet ist: In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe wurden bereits umfangreiche Maßnahmen erarbeitet und mit Zielen versehen. Beteiligt waren unter anderem verschiedene Senatsressorts, der Magistrat der Stadt Bremerhaven, die Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF), die Handelskammer und die Handwerkskammer, Gewerkschaften, Arbeitnehmerkammer und Unternehmensverbände.
„Ein wichtiges Projekt“, so Salot, „das zeigt, dass sich die Bremer Politik endlich für das Thema Gendergerechtigkeit und Entgeltgleichheit starkmacht. Darüber sind wir sehr froh“. In einem kooperativen Prozess sei es gelungen, eine Strategie zu entwickeln, die mit 28 Maßnahmen konkretisiert wurde. Jetzt sei es wichtig, diese Einzelmaßnahmen zu priorisieren, mit Geld zu hinterlegen und zügig umzusetzen.
Folgende Maßnahmen sind nach Ansicht der Arbeitnehmerkammer Bremen besonders relevant:
Adäquate Kinderbetreuung
Das Thema Kinderbetreuung ist nach Ansicht der Arbeitnehmerkammer der wichtigste Hebel für die Gleichstellung der Geschlechter im Erwerbsleben. In der Zeit, in der die Kinder noch klein sind, bleiben nach wie vor meistens die Mütter zu Hause, während die Partner beruflich durchstarten. Später steigen viele nur in Teilzeit wieder in den Job ein. Und das wirkt sich oft nachteilig auf das Gehalt und die Karrierechancen aus. Je besser das Angebot an Betreuungsmöglichkeiten ist, desto eher haben Mütter die Chancen, in Vollzeit oder vollzeitnah zu arbeiten.
Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher verbessern
Um die Kinderbetreuung auszuweiten braucht es Fachkräfte – und daran mangelt es noch. Deshalb ist es wichtig, die Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher attraktiver zu gestalten. Eine echte Alternative zu der vollschulischen Ausbildung bietet das Modellprojekt PiA (Praxisintegrierte Ausbildung), in dem die Teilnehmenden in der Schule und im Betrieb ausgebildet und tariflich vergütet werden. Ein Projekt, das nach Ansicht der Arbeitnehmerkammer unbedingt ausgeweitet werden müsste, denn zurzeit gibt es hier deutlich mehr Bewerbungen als Plätze. „Das PiA-Projekt zeigt, dass es durch attraktivere Ausbildungsbedingungen und eine gute Bezahlung gelingen kann, den Fachkräftebedarf zu decken“, erklärt Marion Salot.
Gender Diversity in Unternehmen
Kleine und mittlere Unternehmen sollten dabei unterstützt werden, sich attraktiver für weibliche Fachkräfte aufzustellen – beispielsweise indem sie familienfreundliche Arbeitszeitmodelle umsetzen. Geplant ist auch die Bereitstellung eines KI-gestützten Analysetools, das die Gender-Pay-Gaps sichtbar macht sowie Coachings und Schulungen für Väter, die in Elternzeit gehen. Alles Maßnahmen, die Bremen als Standort attraktiver machen.
Abbau geringfügiger Beschäftigung von Frauen
In Bremen arbeiten mehrheitlich Frauen in Minijobs, fast jede siebte Arbeitnehmerin ist geringfügig beschäftigt. Viele dieser Frauen sind in Niedriglohnbranchen beschäftigt, häufig verdienen sie nicht mehr als den Mindestlohn und vielen droht Altersarmut. Im Rahmen der Landesstrategie ist ein Projekt geplant, in dem mit Unternehmen und der Agentur für Arbeit gezielt Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt werden. Begleitet werden soll dies durch eine Medienkampagne, die die Vorteile sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung aufzeigt.
Vollzeitarbeit und höhere Verdienste in der Pflege
Die Kranken- und Altenpflege hat einen hohen Anteil weiblicher Beschäftigte, viele Frauen arbeiten in Teilzeit und werden schlechter bezahlt als Männer. Gleichzeitig herrscht ein hoher Personalmangel. Im Rahmen eines Modellprojekts soll über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine gute Personalausstattung versucht werden, Beschäftigte, die wegen der hohen Arbeitsbelastung in Teilzeit gearbeitet haben, zu einer Aufstockung ihrer Stunden zu bewegen. Hierdurch erzielen die Beschäftigten höhere Verdienste. Gleichzeitig kann es gelingen, den Pflegeberuf attraktiver zu machen und den Fachkräftebedarf zu senken.
Der Senat hat am 15. November 2022 die „Landesstrategie Gendergerechtigkeit im Erwerbsleben und Entgeltgleichheit“ beschlossen.
Auf dem Foto von links nach rechts zu sehen: Elke Heyduck (Arbeitnehmerkammer Bremen), Bettina Wilhelm (ZGF), Kristina Vogt (Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa), Andreas Bovenschulte (Bürgermeister)
Foto: Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa