Die Wächterin der Trikots
Wenn zum Herbst die Fußball-Saison startet, kann Anke Urbainski erst mal wieder etwas durchatmen. Ihre Sommer stehen nämlich ganz im Zeichen von neuem „Zeug“: Dann halten Trikots, Stützen und viele junge Mädchen und Frauen die Zeugwartin von Werder Bremen auf Trab.
Text: Anette Melerski - Foto: Kay Michalak
Als im Frühjahr 2007 nach fast vier Jahrzehnten endlich wieder Frauen für Werder Bremen kicken, soll auch eine – möglichst fußballaffine – Frau das Team betreuen. „Ich habe selbst lange gespielt und trainiert und war als Leiterin des Apartmenthauses für die Werderjugend schon beim Verein angestellt – das passte“, erzählt Anke Urbainski. Schon kurze Zeit später sichtet sie zusammen mit der Abteilungsleiterin der neu gegründeten Frauenfußballabteilung Spielerinnen und reist als Betreuerin mit Trikot- und Eiskoffer quer durch Deutschland: „Vier Jahre lang bin ich mit den Mädchen und Frauen von Turnier zu Turnier gefahren, habe mich in Spielberichte reingefuchst und bei Niederlagen auch mal Tränchen getrocknet.“ Irgendwann wurde ihr die Reiserei zuviel – zumal sie ja hauptberuflich noch das Apartmenthaus in Hastedt leitete: „Jetzt als Zeugwartin bin ich zwar saisonbedingt eingespannt, aber hier vor Ort. Mit der Leitung des Hauses lässt sich das gut vereinbaren.“
Ungefähr ein Jahr vor dem eigentlichen Saisonstart geht Anke Urbainski in die Planung. Wenn es an das Bestellen der Garderobe geht, stochert sie allerdings immer ein bisschen im Nebel: „Man weiß nie, wie der Kader aussieht: Wie viele der Frauen und Mädchen sind jeweils groß oder klein, zierlich oder kräftig? Erfahrungsgemäß klappt das aber und es ist für jede Spielerin das Richtige dabei. Praktischerweise ist mein Mann Benno Zeugwart bei der U23-Mannschaft und vom Nachwuchsleistungszentrum. Wenn es nicht anders geht, tauschen wir schon mal Trikots, bevor sie beflockt werden.“
Mit der Anlieferung im Juli eines jeden Jahres wühlt sich Anke Urbainski durch Berge von Kleidung. Sie kontrolliert, sortiert, vergleicht Rechnungen und stellt nach Mannschaften zusammen: Trikots, Trainingsshirts und -shorts, Polohemden und Regenjacken, Trainings- und – wenn es mal schicker sein soll – Präsentationsanzüge. Ungefähr zehn Teile umfasst das Kleiderpaket jeder einzelnen Spielerin, des Trainerstabs, der Betreuer und bei den 1. Frauen auch der Physiotherapeuten. Bei vier Mannschaften sind das gut 1.000 Kleidungsstücke; Schuhe noch nicht mit eingerechnet: „Die probieren die Spielerinnen immer vorher an und erst dann wird bestellt – ihre „Werkzeuge“ müssen perfekt sitzen.“
Kurz bevor die Saison wieder startet, wird verteilt: „Das geht ganz geordnet vonstatten, da kommt die Buchhalterin in mir durch: lange Tische, jede und jeder bekommt einen Stapel und muss den Erhalt natürlich quittieren. Nachzügler kommen zu mir nach Hause.“ Kaputtes wird getauscht, Dreckiges gewaschen – bis auf die Trainingsklamotten, da müssen die Spielerinnen selbst ran – und wenn der Ausrüster wechselt, kommen auch die alten Trikots weg. Ihre Ausbildung zur Kauffrau kommt Anke Urbainski auch bei der Leitung des Apartmenthauses für die Jung-Werderaner zugute. Sie verantwortet die Verwaltung der Wohnungen, macht die Buchhaltung, ist aber auch Ansprechpartnerin für die „Mädchen und Jungs“ und ihre Eltern: „Ich richte mich nicht nach Geschäftszeiten – wenn jemand Kummer hat, bin ich da.“ Eine Zeugwartin muss aus ihrer Sicht Einfühlungsvermögen haben und sich durchsetzen können: „Das mit dem Durchsetzen klappt allerdings nicht immer. Wie manchmal als Mutter: Erst motzt man und dann macht man es doch selbst.“
Die Zeugwartin
Im Mittelalter waren Zeugwarte die Wächter über das „Zeug“: Rüstungen und Waffen. Ein bisschen ähnelt das dem Fußball. Eine klassische Ausbildung zur Zeugwartin gibt es nicht. Viele Zeugwarte waren schon vor ihrer Anstellung eng mit „ihrem“ Verein verbunden, etwa als Betreuer oder Spieler. Beim Deutschen Fußballbund arbeiten Zeugwarte meist auf Honorarbasis, in Bundesliga-Vereinen sind sie fest angestellt.
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