Neues Gesetz soll Betriebsräte stärken

- bei Wahlen, der Weiterbildung, dem Einsatz von KI und mobiler Arbeit

In Deutschland sinkt die Zahl der Betriebsräte. Mögliche Ursachen könnten die starren Formalien und Blockadeversuche der Arbeitgeber sein. Die Bundesregierung hat das Problem erkannt und ein neues Gesetz auf den Weg gebracht, das die Mitbestimmung der Betriebsräte stärken soll.

Text: Insa Lohmann
Foto: Jonas Ginter

Betriebsräte sind vielen Arbeitgebern ein Dorn im Auge. Für einige Chefs ist die betriebliche Mitbestimmung „zeitaufwendig“ und „nervig“, wie eine aktuelle Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Zuletzt wurde demnach jede sechste Betriebsratsgründung behindert.

Und die Zahl der Betriebsräte in Deutschland sinkt: Nur neun Prozent der betriebsratsfähigen Betriebe in Westdeutschland und zehn Prozent in Ostdeutschland verfügen über einen Betriebsrat. „Viele Arbeitgeber setzen Betriebsräte mit Behinderung des unternehmerischen Handelns gleich“, sagt Moritz Hanke, der Betriebsräte bei der Arbeitnehmerkammer Bremen berät.

Mögliche Ursachen könnten neben den Blockadeversuchen der Arbeitgeber auch die starren Formalien beim Wahlverfahren sein. Der Deutsche Bundestag hat deshalb ein neues Gesetz beschlossen: das Betriebsrätemodernisierungsgesetz. Das Gesetz mit dem etwas sperrigen Namen sieht vor, die Wahlen von Betriebsräten zu vereinfachen und die Betriebsräte bei den Themen Weiterbildung, dem Einsatz künstlicher Intelligenz und mobiler Arbeit zu stärken. „Gerade der digitale Wandel in der Arbeitswelt macht es dringend erforderlich, dass die Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten gestärkt werden“, sagt der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann.

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz sieht unter anderem ein vereinfachtes Wahlverfahren für Betriebe mit 5 bis 100 Arbeitnehmern sowie für Unternehmen mit bis zu 200 Beschäftigten vor. Kürzere Fristen sollen Behinderungen von Betriebsratswahlen in kleinen Betrieben besser unterbinden. Um Beschäftigten die Kandidatur zu erleichtern, sind künftig weniger Stützunterschriften als bisher nötig. „Das sogenannte vereinfachte Wahlverfahren ist eigentlich gar nicht einfacher, aber wesentlich zügiger durchzuführen“, sagt Klaas Kuhlmann, Berater für Mitbestimmung und Technologieberatung bei der Arbeitnehmerkammer Bremen. „Die Erleichterungen werden den Betrieben helfen. Ob dadurch die Zahl der Betriebsratsgründungen steigt, bleibt abzuwarten.“

„Gerade der digitale Wandel in der Arbeitswelt macht es dringend erforderlich, dass die Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten gestärkt werden.“
Reiner Hoffmann (DGB-Vorsitzender)

Dass ein besserer Schutz der Betriebsräte dringend notwendig ist, zeigt eine aktuelle Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, für die Gewerkschaftsfunktionäre aus 172  Organisationen befragt wurden: Demnach war der Arbeitgeber bei Versuchen, eine Betriebsratsgründung zu behindern, in knapp einem Drittel der Fälle erfolgreich. Das betrifft laut Studie vor allem mittelgroße Betriebe mit 51 bis 200  Beschäftigten.

Für die Wissenschaftler ein dramatischer Zustand. Um Behinderungen künftig zu reduzieren, wurde im Zuge des neuen Gesetzes auch der Kündigungsschutz verbessert. „Damit sollen die Initiatoren der Betriebsratswahl bereits geschützt werden, noch bevor sie zur Wahlversammlung einladen“, erläutert Betriebsrats-Experte Klaas Kuhlmann. Doch dem Berater geht der Schutz nicht weit genug: „Arbeitnehmer sind so lediglich vor verhaltens- oder personenbedingten Kündigungen geschützt, nicht aber vor fristlosen.“ Um ausreichenden Schutz auch vor außerordentlichen Kündigungen zu bieten, sollte der Gesetzgeber hier nachbessern.

Positiv bewertet Klaas Kuhlmann die Regelung, dass Betriebsratssitzungen künftig virtuell abgehalten werden können. Diese Möglichkeit war im Zuge der Corona-Krise bereits übergangsweise eingeführt worden. Im Rahmen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes soll der Betriebsrat zudem beim Einsatz von künstlicher Intelligenz mehr Mitbestimmungsrechte bekommen – zum Beispiel als Unterstützung bei der Personalauswahl. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen des Betriebsrats, um KI-Systeme zu beurteilen, gilt künftig als erforderlich. Für den Berater Moritz Hanke ein wichtiger Punkt, denn in seiner Beratung erlebe er häufig, dass Arbeitgeber externe Unterstützung von Sachverständigen verweigern. „Da hatte ich schon sehr krasse Fälle in meiner Beratung, in denen der Arbeitgeber die Kosten für den Sachverständigen dem Betriebsrat in Rechnung stellen wollte“, berichtet Hanke. „Das geht natürlich überhaupt nicht.“

Im Zuge der Pandemie hat die mobile Arbeit eine besonders große Bedeutung bekommen. Zwar entscheidet der Arbeitgeber weiterhin, ob es die Option für Beschäftigte geben soll – künftig muss der Betriebsrat aber bei der Ausgestaltung zustimmen: Umfang, Zeitraum und Datenerhebung müssen nun klar geregelt werden. „Es ist gut, dass das nun ein eigener Punkt ist“, findet der Berater Moritz Hanke. In der Beratung käme es immer wieder zu Fragen und Unsicherheiten in dem Bereich.

Auch beim Thema Weiterbildung von Arbeitnehmern bekommt der Betriebsrat mit dem neuen Gesetz der Bundesregierung nun mehr Rechte. Aus Sicht der Arbeitnehmerkammer-Berater ein wichtiger Punkt, denn auch in Bremen komme es in Einzelfällen vor, dass Arbeitgeber Weiterbildungen aufgrund zu hoher Kosten ablehnen. Bei Uneinigkeit über Maßnahmen kann künftig eine Einigungsstelle hinzugezogen werden. „Das wertet das Beratungsrecht zur Berufsbildung auf“, sagt Betriebsratsexperte Klaas Kuhlmann. „Da die Einigungsstelle hierbei aber nicht verbindlich entscheiden darf, bleibt dem Betriebsrat eine Mitbestimmung versagt.“

Was bringt das neue Betriebsrätemodernisierungsgesetz insgesamt? Aus Sicht der Betriebsrats-Experten der Arbeitnehmerkammer Bremen enthält es viele hilfreiche Ansätze – den Erwartungen an eine umfassende Modernisierung werde es jedoch nicht gerecht.

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