Ausbildungssituation in einem technischen Beruf

Eine Garantie – aber nicht für alle

Fragen und Antworten zum Recht auf eine außerbetriebliche Ausbildung

Seit 1. April 2024 gilt in Deutschland das Recht auf einen Ausbildungsplatz. Wir erklären, warum viele junge Menschen davon gar nicht profitieren und wieso Bremen trotzdem auch noch einen Ausbildungsunterstützungsfonds braucht.

Wenn junge Menschen in den Betrieben keinen Ausbildungsplatz finden, steht ihnen nun eine außerbetriebliche Ausbildung zu. Sind damit jetzt also alle versorgt? 

Marie-Luise Assmann: Auf keinen Fall! Das Gesetz spricht zwar von einer „Ausbildungsgarantie“. Das weckt aber falsche Erwartungen – der Begriff ist einfach irreführend. Bereits jetzt zeigt sich, dass nicht alle Jugendlichen profitieren. Obwohl Bremen und Bremerhaven zu den unterversorgten Regionen gehören und deshalb hier zusätzliche außerbetriebliche Ausbildungsplätze geschaffen werden müssten, greift das Instrument nicht für alle.

Für wen gilt die Ausbildungsgarantie ganz konkret?

Es müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein: Die Garantie gilt nur in Regionen, in denen es rechnerisch nicht genug Ausbildungsplätze gibt. Und sie gilt nur für jene, die sich aktiv um einen Ausbildungsplatz bemüht und Berufsberatung in Anspruch genommen haben, aber von der Agentur für Arbeit nicht vermittelt werden konnten. All das müssen Betroffene auch nachweisen können. Zu bedenken ist auch: Sie gilt nicht für alle Ausbildungsberufe. Es gibt ja die dualen und die schulischen Ausbildungsberufe – die letzteren sind aber ausgenommen, etwa Pflege- und Erziehungsberufe.

Wie viele zusätzliche Plätze für eine außerbetriebliche Ausbildung gibt es durch die neue Garantie im Land Bremen? 

In Bremen werden mithilfe der Ausbildungsgarantie nur 30 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen. Damit stehen wir im bundesweiten Vergleich sogar noch ganz gut da. Bundesweit sollten etwa 3.000 zusätzliche außerbetriebliche Ausbildungsplätze durch die Ausbildungsgarantie geschaffen werden. Es sind de facto aber viel weniger: Nach ersten Schätzungen liegt die Gesamtzahl im niedrigen dreistelligen Bereich und ist damit nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir haben insgesamt betrachtet ein massives Problem im Ausbildungssystem. Das kann man schon daran sehen, dass das Land Bremen bundesweit den höchsten Anteil an ungelernten jungen Erwachsenen hat: 2021 waren es ungefähr 25 Prozent, 2022 aber schon 30 Prozent.

"Das Gesetz spricht von einer 'Ausbildungsgarantie'. Das weckt falsche Erwartungen – der Begriff ist irreführend."


Dr. Marie-Luise Assmann ist Referentin für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik der Arbeitnehmerkammer Bremen

Wie viele außerbetriebliche Ausbildungsplätze brauchen wir in Bremen und Bremerhaven?

Es ist schwer, sich auf eine genaue Zahl festzulegen. Wenn man von der Nachfrage nach außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen ausgeht, so hatten wir in den letzten Jahren insbesondere durch die Ausbildungsverbünde ein ganz gutes Angebot von durchschnittlich etwa 150 Plätzen pro Jahrgang allein in den beiden Ausbildungsverbünden in Bremen und Bremerhaven. Sie waren eine Reaktion auf die Corona-Pandemie und von der EU finanziert – laufen nun aber aus. Gerade in Bremerhaven ist der Bedarf nicht gedeckt: Dort bekamen die Träger, die eine außerbetriebliche Ausbildung anbieten, in den vergangenen Jahren immer schon mehr Bewerbungen als Plätze angeboten werden konnten.

Wie beurteilt die Arbeitnehmerkammer die Ausbildungsgarantie?

Grundsätzlich begrüßen wir, dass junge Menschen eine außerbetriebliche Ausbildung bekommen, wenn es nicht genügend betriebliche Plätze gibt. Denn eine abgeschlossene Berufsausbildung schützt vor Arbeitslosigkeit und ist der Schlüssel zu gut bezahlter Arbeit mit Perspektiven. Die Ausbildungsgarantie muss aber geschärft werden, damit sie richtig greift. Es müssten deutschlandweit deutlich mehr Regionen als „unterversorgt“ gelten, unterversorgte Regionen wie Bremen müssten in einem angemessenen Umfang von der Garantie profitieren.

Braucht es noch den Ausbildungsunterstützungsfonds, wenn wir eine Ausbildungsgarantie haben?   

Ja – denn die außerbetriebliche Ausbildung ist nur die zweitbeste Lösung. Es muss darum gehen, die betriebliche Ausbildung für alle jungen Menschen zu öffnen. Hier setzt der Ausbildungsunterstützungsfonds an: Er schafft finanziellen Ausgleich für ausbildende Betriebe und Unterstützungsangebote für Betriebe und Auszubildende während der Ausbildung. Diese Unterstützung ist wichtig, um den Ausbildungserfolg zu sichern. So kann dem steigenden Anteil der Ausbildungsverträge, die vorzeitig gelöst werden, entgegengewirkt werden – im Interesse der Betriebe und der jungen Menschen.

An wen können sich die betroffenen jungen Menschen wenden, die einen außerbetrieblichen Ausbildungsplatz möchten? 

Grundsätzlich sind die die ersten Anlaufstellen die Agentur für Arbeit und die Jugendberufsagenturen. In Bremen und Bremerhaven kann man sich aber auch direkt an die Ausbildungsverbünde wenden. In Bremen ist das die „ABiG“, in Bremerhaven „Ausbildung Plus“.

29. August 2024
Fragen: Jan Zier
Foto: iStock