Text: Suse Lübker
Foto: Jonas Ginter
1. November 2024
BAM: Frau Grapenthin, seit 2019 beraten Sie bei der Arbeitnehmerkammer zu allen Themen rund um Weiterbildung und Beruf. An wen richtet sich Ihr Beratungsangebot?
Hella Grapenthin: Wir beraten alle Mitglieder der Arbeitnehmerkammer Bremen, die im Land Bremen beschäftigt sind. Dazu gehören ebenfalls Auszubildende und auch Minijobber. Beraten werden können außerdem Arbeitsuchende, die Arbeitslosengeld I oder II beziehen und vor ihrer Arbeitslosigkeit in Bremen oder Bremerhaven gearbeitet haben.
Wie läuft eine Beratung ab, welche Informationen sollten die Ratsuchenden mitbringen?
In der Regel melden sie sich telefonisch oder per E-Mail bei mir und schildern mir ihr Anliegen. Die meisten wollen sich beruflich verändern. Manche haben sehr konkrete Vorstellungen, andere eher vage Ideen. Es kann sich um einen Jobwechsel handeln oder auch um einen kompletten Neuanfang. Zur Vorbereitung bitte ich die Ratsuchenden, mir ein bis zwei Wochen vor dem Termin einen Lebenslauf zu schicken. Außerdem bitte ich sie darum, mir vorab Informationen über ihre berufliche Situation und ihre Wünsche oder Ziele mitzuteilen. So kann ich mich entsprechend vorbereiten. Wenn ich weiß, dass sich jemand für eine Weiterbildung zu einem bestimmten Thema interessiert, dann suche ich die Unterlagen heraus, die für diese Person relevant sein könnten. Wenn sich jemand auf eine konkrete Stelle bewerben möchte, lasse ich mir vorher auch die Stellenausschreibung schicken. So ein Gespräch dauert etwa eineinhalb Stunden, manchmal auch etwas länger.
Gibt es bestimmte Themen, die häufig nachgefragt werden?
Meistens geht es um eine berufliche Um- oder Neuorientierung, das heißt, die Ratsuchenden haben lange Zeit in einem Betrieb gearbeitet und sehen dort keine Entwicklungsmöglichkeiten oder möchten sich inhaltlich verändern. Manche wünschen sich auch mehr Team- oder Personalverantwortung. Außerdem kommt es häufiger vor, dass Beschäftigte Interesse an einer Umschulung oder Weiterbildung haben, zum Beispiel nach einer längeren Krankheit oder Rehabilitation.
Einer Ihrer Schwerpunkte ist Bewerbungsberatung, wie genau unterstützen Sie dabei?
Auch hier ist unser Angebot sehr vielfältig. Viele kommen zunächst mit dem Wunsch, sich beruflich weiterzuentwickeln. Wenn das im Betrieb nicht möglich ist, bewerben sie sich auf ausgeschriebene Stellen. Wenn ich weiß, in welchem Bereich sich jemand bewerben möchte, suche ich oft auch passende Stellenangebote heraus. So können die Ratsuchenden gut sehen, welche Qualifikationen gefragt sind, wo es Schnittmengen oder Lücken gibt und wo man dann mit Weiterbildung ansetzen kann. Da sind wir sehr nah am Arbeitsmarkt und helfen, die eigenen Potenziale zu erkennen.
Vor einiger Zeit kam eine Frau in die Beratung, die sich beruflich weiterentwickeln wollte. Allerdings hatte sie das Gefühl, dass das in ihrem jetzigen Job nicht möglich ist. Sie hatte eine Stellenausschreibung für eine Führungsposition gefunden, war sich aber nicht sicher, ob sie überhaupt all das leisten kann, was dort gefordert war. Ich habe sie zunächst ermutigt und ihr deutlich gemacht, dass gerade dann, wenn es um Führungspositionen geht, weniger Bewerbungen eingehen und die Ausschreibungen oft so formuliert sind, dass es schwer ist, alle Anforderungen zu erfüllen. Ich habe ihr auch erklärt, dass Frauen sich oft zurücknehmen und meinen, sie müssten am besten 100 Prozent der Anforderungen erfüllen – anders übrigens als Männer.
Sie hat sich dann auf die Stelle beworben und wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Dieses Gespräch haben wir bei einem Folgetermin gemeinsam vorbereitet. Anhand der Stellenausschreibung habe ich ihr Fragen gestellt, die typischerweise in einem solchen Vorstellungsgespräch vorkommen und ihr zu jeder Antwort Feedback gegeben. So haben wir uns Frage für Frage ausgetauscht, sie konnte Verständnisfragen stellen oder auch Antworten ergänzen. Das war eine gute Vorbereitung für das echte Vorstellungsgespräch. Ich habe ihr auch geraten, die Antworten zu Hause noch einmal zu üben – mit einer Freundin oder einem Freund, oder auch allein die Fragen laut zu beantworten.
Sie hat die Stelle dann tatsächlich bekommen. Im Nachhinein hat sie betont, wie hilfreich die Vorbereitung auf die Fragen für sie war, vor allem das Feedback auf die Antworten. Sie habe sich sehr gestärkt und motiviert gefühlt. Diese Rückmeldung habe ich auch von vielen anderen Ratsuchenden bekommen. Die meisten gehen nach so einem Probegespräch selbstbewusster in den Termin und können den Verlauf des Gesprächs ganz anders beeinflussen. Das wirkt sich auf jeden Fall positiv aus.
Haben Sie noch einen abschließenden Tipp für Beschäftigte, die Unterstützung rund um das Thema Beruf und Karriere brauchen?
Allen, die sich beruflich neu orientieren möchten, kann ich nur empfehlen, eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Es gibt in Bremen neben der Arbeitnehmerkammer sehr viele gute Anlaufstellen, die kostenfreie Beratung anbieten, die zentrale Frauenberatungsstelle etwa oder Träger, die über berufliche Weiterbildung und Umschulung informieren. Manchmal hilft schon eine Beratung dabei, bestimmte Bildungsangebote besser einschätzen zu können. Da kann zum Beispiel geklärt werden, ob Abschlüsse überhaupt staatlich anerkannt sind oder welche Finanzierungsmöglichkeiten es gibt – da fehlen manchen Menschen einfach wesentliche Informationen. Mein Appell: Es gibt gute Angebote, nutzen Sie sie!
Die Weiterbildungsberatung findet in der Bürgerstraße 1 in 28195 Bremen statt. Freitags vormittags kann ein Termin in der Geschäftsstelle in Bremerhaven
gebucht werden. Termine können entweder telefonisch unter 0421 . 3 63 01 - 432 oder per E-Mail an grapenthin@arbeitnehmerkammer.de vereinbart werden. Die Beratung ist kostenfrei.