In den Bremer Gewerbegebieten wünschen sich viele Beschäftigte bessere Bus- und Radanbindungen. Bisher ist das Angebot unattraktiv - zur Arbeit kommen deshalb viele mit dem Auto. Im Interesse der Beschäftigten und für den Klimaschutz muss sich daher einiges ändern.
"In den Gewerbegebieten sind die Busse und Radwege noch zu unattraktiv"
Es sind noch viele Verbesserungen nötig, um den Beschäftigten im Güterverkehrszentrum und dem Gewerbepark Hansalinie den Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel zu ermöglichen. Unsere Forderungen im Überblick finden Sie hier.
Worum es geht
Was sind die Probleme in den Gewerbegebieten?

Die großen Bremer Gewerbegebiete sind bedeutende Arbeitsorte. Allein in den beiden größten – dem Güterverkehrszentrum (GVZ) und dem Gewerbegebiet Hansalinie – arbeiten laut der Wirtschaftsförderung Bremen jeweils um die 5.000 Menschen. Nicht alle von ihnen sind gut bezahlt. In der Logistikbranche etwa gibt es viele Geringverdienende – ein eigenes Auto ist da für viele zu teuer.
Daher ist es gerade in Gewerbegebieten wichtig, dass die Beschäftigten nicht nur mit dem Auto zur Arbeit kommen können. Besonders auf einen guten Nahverkehr kommt es hier an. Denn Bus und Bahn können Mobilität für alle gewährleisten – unabhängig vom Einkommen oder körperlichen Einschränkungen. Dass gerade Geringverdienende auf Alternativen zum Auto angewiesen sind, zeigen aktuelle Zahlen der Beschäftigtenbefragung der Arbeitnehmerkammer: Geringverdienende nutzen oft Bus und Rad. Je geringer das Einkommen, desto häufiger nutzen Beschäftigte statt dem Auto den Bus und die Bahn. Aber auch das Fahrrad ist für sie oft eine günstige Option für den Arbeitsweg.
Die Buslinien sind unattraktiv
Gerade in der Hansalinie besteht Handlungsbedarf beim öffentlichen Nahverkehr. Ein kurzer Blick auf die aktuellen Busfahrpläne zeigt: Während im GVZ mit der Linie 63 immerhin eine Direktanbindung zum Hauptbahnhof besteht, die werktags zwischen halb fünf Uhr morgens und 23 Uhr abends über 60-mal verkehrt (allerdings mit stark unterschiedlicher Taktung je nach Uhrzeit), ist der Gewerbepark Hansalinie nicht direkt an den Hauptbahnhof angebunden. Die hier verkehrende Linie 42 fährt nur bis zum Weserwehr, wo ein Umstieg in die Straßenbahn nötig ist. Zudem fährt diese Linie nur etwa 20-mal werktäglich zwischen sechs und 18.30 Uhr, wobei zu gewissen Zeiten (etwa vormittags) gar keine Busse verkehren. Die zweite Buslinie ins Gewerbegebiet, die Linie 29, fährt nur dreimal spätabends. Am Wochenende werden die beiden Gewerbegebiete kaum bis gar nicht angefahren. Die Haltestellen in beiden Gebieten sind zudem nicht immer mit einem Witterungsschutz ausgestattet. Auch die Barrierefreiheit lässt zu wünschen übrig.
Noch schlechter steht es um die Anbindung in das niedersächsische Umland: Mittlerweile gibt es gar keinen Bus mehr, der von dort in die Hansalinie oder das GVZ fährt. Die Linie 208, die bis Ende 2023 dreimal täglich zwischen dem Bahnhof Delmenhorst und dem GVZ verkehrte, wurde aus finanziellen Gründen eingestellt – dabei fehlten weniger als 20.000 Euro pro Jahr. Diese übersichtliche Finanzierungslücke hätte mit einem entsprechenden politischen Willen leicht überwunden werden können. Auch wenn aktuell sowohl bei der Bremer Straßenbahn AG als auch im Landeshaushalt die finanziellen Spielräume begrenzt sind und der Ausbau des Nahverkehrs zuletzt bis auf Weiteres vertagt wurde, ist es problematisch, auf Kosten derjenigen Beschäftigten zu sparen, die auf entsprechende Angebote für den Nahverkehr angewiesen sind.
Mit dem Rad zur Arbeit – schwer und gefährlich
Die Radverkehrsführung in den Gewerbegebieten ist mitunter herausfordernd. Durch die randstädtische Lage ist die Anbindung an das bremische Radwegenetz schlecht. Zudem sind die Straßen innerhalb der Gebiete vor allem für den Lkw-Verkehr ausgelegt. Radwege sind oft nicht mitgeplant worden.
So ist etwa im Gewerbepark Hansalinie lediglich die Europaallee als Hauptachse beidseitig mit Radwegen ausgestattet. Zudem gibt es einige landwirtschaftliche Versorgungswege, die mitten durch das Gewerbegebiet führen und mit dem Rad befahren werden können. Alle weiteren Straßen dort verfügen über keinen Radweg, sodass Radfahrende auf der Straße fahren müssen. Entsprechend kommt es hier schnell zu gefährlichen Begegnungen mit dem regen Lkw-Verkehr. An der Europaallee sind Radwegequerungen außerdem oft schwer zu erkennen, insbesondere in den Kreuzungsbereichen hat der starke Verkehr bestehende Fahrbahnmarkierungen zum Teil verschwinden lassen. Immer wieder kommt es zu teils schweren Unfällen mit Fahrradfahrenden.
Im Güterverkehsrzentrum stellt sich die Lage etwas besser dar, wenngleich auch hier Handlungsbedarf besteht. Der Großteil der Straßen verfügt über einen getrennten Radweg, aber nicht alle. Zudem ist der Lkw-Verkehr im GVZ zum Teil noch deutlich intensiver als an der Hansalinie. In einigen Bereichen herrscht ein erheblicher Parkdruck, sodass viele Lkw nicht nur in den vorgesehenen Buchten, sondern auch auf der Straße parken. Hier können Radfahrende schnell übersehen werden. Besonders kritisch ist die Situation in Teilen der Senator-Blase-Straße, wo fehlende Radwege und ein hoher Parkdruck aufeinandertreffen.
Text: Dr. Dominik Santner, Referent für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik der Arbeitnehmerkammer
Foto: Kay Michalak/Fotoetage
Was genau fordert die Arbeitnehmerkammer?
Ausbau des städtischen Nahverkehrs – für die Beschäftigten und das Klima
Die klimapolitischen Herausforderungen müssen schnell angegangen werden. Eine verbesserte Anbindung der Bremer Gewerbegebiete kann hier einen sinnvollen Beitrag leisten. Gleichzeitig brauchen vor allem Geringverdienende bezahlbare Alternativen zum Auto. Der Schlüssel ist hier ein guter Nahverkehr. Tatsächlich ist schon einiges geplant, die Umsetzung lässt aber auf sich warten.
Im Rahmen der Teilfortschreibung des Verkehrsentwicklungsplans (VEP) 20253 wurden ambitionierte Pläne für den ÖPNV beschlossen. Einige davon haben einen direkten Bezug zu Gewerbegebieten (Ausbaustufe 3: „Kreuz und quer zum Job: Quer- und Gewerbelinien“ in Kombination mit der Ausbaustufe 4: „Schnell durch die Stadt mit Expressbuslinien“). Diese beinhalten die Schaffung neuer Buslinien in die Gewerbegebiete sowie die Verdichtung aller neuen und alten Linien auf einen werktäglichen 20- bis 30-Minuten-Takt. Mit diesem Angebot sollen attraktive Anreize zum Umstieg auf den Bus geschaffen werden. Das alles soll bis Mitte 2025 kommen – so der Plan.
Allerdings wurde am 15. Februar 2024 verkündet, dass die Umsetzung der Angebotsoffensive aufgrund der schwierigen finanziellen Lage bei der BSAG und im Senat bis auf unbestimmte Zeit ausgesetzt wird. Dabei ist gerade in den Gewerbegebieten eine Verbesserung dringend notwendig.
Der Ausbau des ÖPNV muss in den Gewerbegebieten beginnen, um die Teilhabe aller Menschen am Arbeitsmarkt zu fördern und klimapolitische Ziele zu erreichen. Die Stärkung des ÖPNV in Gewerbegebieten ist im Vergleich zu einigen kontrovers diskutierten Projekten und Ideen aus der Innenstadt (etwa in der Martini- und der Obernstraße) sinnvoller und kostengünstiger.
Die ÖPNV-Ausbaustufen 3 und 4 aus der Teilfortschreibung des VEP müssen deshalb priorisiert und die BSAG schnell wieder in die Lage versetzt werden, den Ausbau des Nahverkehrs voranzubringen. Das Unternehmen als aktiven Akteur der Verkehrswende vom Spielfeld zu nehmen, ist keine Option. Der Senat muss alles dafür tun, dieses Problem zu lösen.
Busse auch für Pendelnde aus dem Umland
Die Angebote zur Anbindung an das niedersächsische Umland müssen verbessert werden. Aktuell sind die meisten Bremer Gewerbegebiete aus dem Umland mit dem Bus nicht direkt zu erreichen. Pendelnde haben also oft gar keine Alternative zum Auto. Das muss sich ändern. Jedoch ist die Nachfrage für einzelne Strecken oft begrenzt. Dies macht den wirtschaftlichen Betrieb von Umlandlinien schwierig. Die Einstellung der Linie 208 wurde damit begründet. Trotzdem müssen Angebote her.
Die ansässigen Betriebe könnten hier Verantwortung übernehmen: Durch Werksbusse oder – wie bei der Linie 208 – die Kofinanzierung von Buslinien durch die Betriebe könnte das Angebot verbessert werden. Voraussetzung ist die langfristige Absicherung. Hier ist die Politik gefragt, das Angebot gemeinsam mit den Betrieben zu entwickeln und abzusichern.
Fahrradwege und Haltestellen kurzfristig ertüchtigen
Radfahren in Gewerbegebieten ist gefährlich. Fehlende Fahrbahnmarkierungen für den Radverkehr sollten deshalb rasch ausgebessert und ergänzt werden. Dort, wo gar keine Radwege existieren, müssen planerische Anpassungen erfolgen. Auch die Ausstattung von Bushaltestellen mit einem Witterungsschutz ist schnell umzusetzen. Die zuständigen Stellen aus den verantwortlichen Behörden sowie des Amts für Straßen und Verkehr und der BSAG sollten hier zeitnah nachbessern. Die Arbeitnehmerkammer spricht sich zudem dafür aus, diejenigen Radpremiumrouten zu priorisieren, die gewerblichen Standorte anbinden sollen.
Text: Dr. Dominik Santner, Referent für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik der Arbeitnehmerkammer
Foto: Jonas Ginter

Was wissen wir aus unseren Studien?

Die Arbeitnehmerkammer Bremen hat gemeinsam mit der Handelskammer, der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa sowie der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau eine Beschäftigten- und Unternehmensbefragung in zwei der größten Bremer Gewerbegebiete – dem Güterverkehrszentrum (GVZ) und dem Gewerbepark Hansalinie – in Auftrag gegeben.
Die am Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw) erstellte Studie untersuchte das Mobilitätsverhalten der Beschäftigten, die Potenziale zum Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel und analysierte Erreichbarkeit und Verkehrsinfrastruktur, um Handlungsbedarfe und -empfehlungen ableiten zu können. Zusammengenommen stehen die beiden größten bremischen Gewerbegebiete aktuell für rund 517 Hektar Gewerbefläche, knapp 14.000 Beschäftigte und circa 280 Betriebe.
- In beiden Gewerbegebieten fahren knapp 52 Prozent mit dem Auto zur Arbeit. Mit Bus und Bahn kommen etwa 30 Prozent, mit dem Fahrrad circa zehn Prozent. Die Verteilung der Verkehrsmittel ist in beiden Gebieten fast identisch.
- Immerhin 56 Prozent aller Pkw-Nutzer/-innen können sich einen Umstieg auf andere Verkehrsmittel vorstellen. Dabei gibt es saisonale Unterschiede: Außerhalb der Wintermonate signalisieren die Autofahrer/-innen eine Umsteigebereitschaft auf den Bus (50 Prozent), das E-Bike (39 Prozent) und das Fahrrad (34 Prozent).
- Die Anbindung an den ÖPNV wird im Güterverkehrszentrum von 45 Prozent und in der Hansalinie von 64 Prozent als „schlecht“ eingestuft. Als „gut“ bewerten sie zwölf Prozent im Güterverkehrszentrum und nur zwei Prozent in der Hansalinie. Gegen die ÖPNV-Nutzung sprechen vor allem die „langen Fahrtzeiten“ und die „schlechte Verbindung“. In der Hansalinie wird zudem häufig die „Entfernung der Haltestelle zum Arbeitsplatz“ genannt.
- Beiden Gewerbegebieten fehlt bislang eine ausreichende Verknüpfung mit dem Regionalbusnetz, obwohl fast 50 Prozent der Beschäftigten aus den umliegenden Kommunen einpendeln und 40 Prozent einen Arbeitsweg von über 20 Kilometern haben.
Text: Dr. Dominik Santner, Referent für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik der Arbeitnehmerkammer
Foto: Kay Michalak/Fotoetage