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KI – eine (betriebsverfassungs-)rechtliche Betrachtung

Die Einsatzmöglichkeiten für KI-Systeme in der Arbeitswelt sind so vielfältig wie Branchen und Betriebe. Da die Fähigkeiten von KI weiterhin stetig ansteigen, besteht auch ein erhöhter Bedarf an rechtlichen Vorgaben.

Denn nicht alles, was technisch möglich ist oder sein wird, ist auch gewollt. So sind beispielsweise unterstützende KI-Systeme bei Mitarbeiteranfragen (chat-bots) in der Praxis etabliert. Können KI-Systeme menschliche Arbeitsleistung analysieren und selbständig allein über Restrukturierungs- und Entlassungsmaßnahmen entscheiden, stellt sich die ethische Frage, ob dies erlaubt sein soll.

Will man sicherstellen, dass der Einsatz von KI zum Wohl des Menschen erfolgt und Risiken einer schädlichen Nutzung minimiert werden, braucht es Regeln für den Einsatz von KI-Systemen. Die Regelungen müssen einen zulässigen Rahmen definieren und dessen Einhaltung sichern. Diese sollten für möglichst alle verschiedenen KI-Systeme funktionieren und auch technologieoffen sein. Dadurch können sie nur sehr abstrakt formuliert werden.

Welche Regelungen gibt es schon?

Bislang gibt es weder spezielle gesetzliche Regelungen für den Einsatz von KI-Systemen, noch eine rechtliche, allgemeingültige Definition, was KI überhaupt ist. Derzeit findet die Nutzung von KI seine Grenzen im allgemeinen Recht, wie z. B. den Grundrechten oder den Datenschutzbestimmungen.
Die EU-Kommission hat am 21. April 2021 den weltweit ersten Vorschlag eines Rechtsrahmens für Künstliche Intelligenz vorgelegt.
Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz den Begriff der Künstlichen Intelligenz in das Betriebsverfassungsgesetz eingeführt.

Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz

(Entwurf der EU-Kommission)

Die Verordnung enthält eine weite Definition von KI. Ziel der Verordnung ist es, einerseits einen sicheren Rechtsrahmen für die Entwicklung eines Binnenmarktes aufzustellen und so die Entwicklung von KI zu fördern. Andererseits sollen die bestehenden Grundrechte und Werte der Union geschützt werden. Schließlich sollen die wirksame Durchsetzung des geltenden Rechts und der Sicherheitsanforderungen an KI-Systeme gewährleistet und das Vertrauen der Bürger in KI gestärkt werden. 

Der Entwurf versucht, diese Ziele durch einen risikobasierten Ansatz zu erreichen. Er differenziert zwischen verschiedenen Risikostufen und setzt für diese kategorisierte Vorgaben. Je höher die mögliche Gefahr, desto höher sollen auch die Anforderungen an das KI-System und die Nachweispflichten ihrer Anbieter sein1
Die Anwendung der neuen Vorschriften soll nach dem Entwurf der Kommission von den zuständigen nationalen Marktüberwachungsbehörden beaufsichtigt werden. Bei Verstößen sind verhältnismäßig hohe Bußgelder vorgesehen (bis zu 30 Mio. Euro bzw. 6 Prozent des gesamten weltweiten Jahresumsatzes, je nachdem, welcher Betrag höher ist).
Auch wenn das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und der Entwurf währenddessen noch einige Änderungen durchlaufen wird, wird die Richtlinie 2 Jahre nach Inkrafttreten unmittelbar in der EU gelten. Für Anbieter von KI-Systemen sind die geplanten Anforderungen bereits jetzt von Bedeutung.

Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Ebenso wichtig wie ein allgemeines Regelwerk ist im Betrieb die Regelung des KI-Einsatzes im Sinne der Beschäftigten. Der deutsche Gesetzgeber hat im Juni 2021 den Begriff KI an drei Stellen neu ins BetrVG aufgenommen. Er wollte Vertrauen und Akzeptanz der Beschäftigten im Umgang mit KI im Betrieb fördern. Das Betriebsverfassungsgesetz erleichtert Betriebsräten dadurch die Mitwirkung an der Planung, Einführung und Anwendung von KI-Systemen.

§ 80 Absatz 3 BetrVG: Hinzuziehung Sachverständiger

Bisher war bereits geregelt, dass der Betriebsrat bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen kann, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.  
Neu eingefügt sind nun ein Satz 2 und 3:
„Muss der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen, gilt insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich. Gleiches gilt, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf einen ständigen Sachverständigen in Angelegenheiten nach Satz 2 einigen.“

Will der Betriebsrat beim Thema KI einen Sachverständigen einschalten, braucht er nicht mehr die Erforderlichkeit nachweisen. Er muss sich aber nach wie vor mit dem Arbeitgeber auf den Sachverständigen sowie dessen Vergütung verständigen. Einigen sich die Betriebsparteien auf einen ständigen Sachverständigen, kann der Betriebsrat diesen ohne weitere Absprache abrufen und so beim Einsatz von KI schneller reagieren. Streitig zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat kann allerdings sein, ob es sich um KI handelt, für die ein Sachverständiger hinzugezogen werden kann.

Keine Definition von KI im BetrVG

Das BetrVG setzt den Begriff „Künstliche Intelligenz“ voraus, definiert ihn aber nicht. Schon besteht Uneinigkeit, ob die Erforderlichkeit bei Hinzuziehung eines Sachverständigen bei jeder oder nur bei starker KI fingiert wird. Eine klare Abgrenzung durch Lehre und Rechtsprechung existiert noch nicht. (Unsere Ausführungen zum Thema Starke/schwache KI). Arbeitgeber sprechen sich für das Recht auf Hinzuziehung eines Sachverständigen nur bei starker KI aus.  

§ 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG: Unterrichtungs- und Beratungsrecht

Die Vorschrift stellt klar, dass dem Betriebsrat bereits bei der Planung von KI-Einsätzen ein Informations- und Beratungsrecht zusteht. Dieses umfasst nicht nur den Technikeinsatz selbst, sondern auch Änderungen von Arbeitsprozessen oder Änderungen der Weisungsbefugnis durch den Einsatz eines KI-Systems. Die Unterrichtung muss rechtzeitig erfolgen, sodass der Betriebsrat mit der Beratung noch Einfluss auf die Entscheidung nehmen kann.

Soweit der Arbeitgeber nicht von sich aus den Betriebsrat unterrichtet, wird dieser seine Rechte einfordern müssen. Dafür muss der Betriebsrat die Planung eines KI-Einsatzes erkennen können. Den notwendigen technischen Sachverstand soll der Betriebsrat durch die nun erleichterte Hinzuziehung eines Sachverständigen nach der neuen Regelung § 80 Abs. 3 erzielen können.

§ 95 Abs. 2a BetrVG: Mitbestimmung bei Auswahlrichtlinien für Personalentscheidungen

Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung von Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen zu. Solche Richtlinien legen Kriterien fest, anhand derer der Arbeitgeber Entscheidungen zu den genannten Maßnahmen trifft. In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kann der Betriebsrat solche Richtlinien auch initiativ verlangen.
Durch den neu aufgenommenen Absatz 2a wird klargestellt, dass diese Rechte auch dann bestehen, wenn bei Aufstellung der Richtlinien ein KI-System beteiligt ist. 

Fazit

Es ist festzustellen, dass die Mitsprache der Betriebsräte bei KI gestärkt, aber kein explizites Mitbestimmungsrecht aufgenommen worden ist. In aller Regel dürfte ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aber aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG folgen, wenn ein KI-System objektiv geeignet dafür ist, Verhalten oder Leistung von Arbeitnehmenden zu überwachen. 

Datenschutz

KI-Systeme verarbeiten in der Regel sehr viele Daten. Im Bereich des Arbeitslebens, insbesondere des Personalmanagements, sind dies häufig personenbezogene Daten. Eines der größten Problemfelder beim Einsatz von KI-Systemen wird die Vereinbarkeit mit geltendem Datenschutzrecht sein, welches mit seinem Grundsatz der Datenvermeidung und -minimierung konträr aufgestellt ist.
 


Eine vollständige Darstellung zur EU-Richtlinie zu KI findet sich auf Seiten der Europäischen Kommission.