Ein himmlischer Beruf - der Fluglotse

Ein Porträt in unserer Reihe Galerie der Arbeitswelt

Sven Wilke ist Fluglotse in der Radarkontrollzentrale Bremen.

Text: Anna Zacharias
Foto: Kay Michalak
1. Juli 2024

Höhenflüge erleben die meisten Menschen bei der Arbeit eher selten – Sven Wilke hat sie jeden Tag. Allerdings ist bei 8000 Metern über dem Boden Schluss. „Darüber sind die Kollegen in Maastricht zuständig“, sagt der 53-Jährige. Er ist Fluglotse in der Kontroll­zentrale Bremen. Von hier aus überwacht die ­Deutsche Flugsicherung (DFS) den norddeutschen Raum. Bis zu 1800 Flüge werden hier am Tag koordiniert, darunter die An- und Abflüge für die Flughäfen Bremen, ­Hannover, ­Hamburg und Berlin, dazu 14 Regionalflughäfen und elf Luftwaffen­stützpunkte.

Sven Wilkes Schicht beginnt an diesem Freitag um 14.30 Uhr. In den nächsten Stunden wird er die Punkte auf seinem Bildschirm beobachten, die sich um den Flughafen Hannover bewegen. Multitasking ist für ihn kein Problem: Während des Gesprächs wechselt er in die Kommunikation mit den ­Piloten, sieht, ob der Abstand zum nächsten Flieger auf den folgenden Kilometern eingehalten wird – „das ist ­Dreisatz“, sagt er routiniert. Nach fast 34 Berufsjahren muss er gar nicht mehr rechnen. Der Mindestabstand ist mit dem auf deutschen Straßen nicht zu vergleichen – knapp sechs Kilometer bei gleicher Höhe oder 300 Meter vertikal bei kreuzen­den Flugwegen müssen es sein. Auch wenn der Computer gerade anzeigt, dass sich zwei Flugzeuge zu nahe kommen, weiß er: „Die beiden haben Sichtkontakt.“

Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Darum, erklärt Wilke, sitzen immer zwei Lotsen am Bildschirm – einer funkt, der andere telefoniert – „und der Pilot ist ja auch noch da“. Simpel ist der Job aber keinesfalls: Neben ­schnellem Kopf­rechnen und stundenlanger Konzentration in einem leben­digen Kontrollzentrum müssen die Lotsinnen und ­Lotsen in Stresssituationen einen alternativen Kurs vorgeben können –
zum Beispiel, wenn sich Gewitterwolken ­bilden. Anspannung herrscht auch, wenn beispielsweise ein Herzinfarkt-­Patient an Bord ist und das Flugzeug schnell landen muss.

„Im Fernsehen sieht man Fluglotsen nur im Tower“, bemerkt Wilke. Dabei sitzt dort von den 2.200 Lotsen in Deutschland nur jeder fünfte und erteilt die Start- und Landeerlaubnis. „Sobald die Räder vom Boden sind, sind wir dran.“

Der fast jugendlich wirkende Mann ist hier einer der Ältesten und geht steil auf die Rente zu. Die erwartet Flug­lotsen schon mit 55. Ab dann gibt es acht Jahre Übergangsversorgung mit 70 Prozent des letzten Gehalts. Der Verdienst liegt zwischen monatlich rund 8.000 und 10.000 Euro brutto.

Und was muss man mitbringen? Überflieger braucht man für die Ausbildung nicht zu sein, Abitur ist Grundvoraussetzung. Und 95 Prozent fallen beim Auswahlverfahren in Hamburg durch, wo Belastbarkeit, räumliches Vorstellungsvermögen, Multitasking, Konzentrationsfähigkeit und Stressresistenz geprüft werden.

Sven Wilke liebt seinen Job, daran lässt er keinen Zweifel. Aber wo es Höhen gibt, sind auch Tiefen: „Die Nachtschichten mag ich weniger, wenn man müde ist und wenig passiert, wird es anstrengend“, sagt er. Aber man merkt: Für Sven Wilke ist Fluglotse ein wirklich himmlischer Beruf.

Der Fluglotse / die Fluglotsin

­­­­Wer sein Talent als Fluglotse oder Fluglotsin testen will, kann auf den Karriere-Seiten der DFS verschiedene ­Online-Spiele ausprobieren. Dort finden sich auch alle Informationen zum Bewerbungsverfahren.