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10 Gründe für die Ausbildungsumlage

Die Wirtschaft braucht Fachkräfte, und diese Fachkräfte müssen ausgebildet werden. Das kostet Geld. Bisher werden diese Kosten allein von den Betrieben geschultert, die sich für die Ausbildung junger Menschen engagieren. Von dem ausgebildeten Nachwuchs profitieren aber alle Arbeitgeber.

Eine Ausbildungsumlage setzt deshalb auf die gemeinschaftliche Finanzierung. In Kurzform funktioniert das so: Alle Arbeitgeber zahlen etwas in einen öffentlich-rechtlich verwalteten Fonds ein. Wer ausbildet, bekommt einen Teil seiner Kosten aus dem Fonds erstattet, wer nicht ausbildet, beteiligt sich durch seine Abgabe zumindest finanziell an der Ausbildungsleistung der anderen. Das schafft einen gerechten Ausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben. Doch das ist nicht der einzige Vorteil einer Ausbildungsumlage. Es gibt noch viele mehr.

1. Die Lücke schließen  Zu wenig Ausbildungsplätze für viele Bewerber*innen

In Bremen und Bremerhaven gibt es seit vielen Jahren zu wenige Ausbildungsplätze. Als im Sommer 2022 das Ausbildungsjahr begonnen hatte, kamen nur 72 Ausbildungsplätze auf 100 geeignete Interessierte. Deshalb bleiben im Land Bremen regelmäßig viele Jugendliche mit ihren Bewerbungen erfolglos. 2022 waren es mindestens 800 junge Menschen, mehr als 400 gingen direkt in die Arbeitslosigkeit. Eine Ausbildungsumlage könnte mehr Betriebe motivieren, Ausbildungsplätze anzubieten und zugleich jungen Ausbildungsinteressierten gute Zukunftsperspektiven eröffnen.*

2. Negativtrend stoppen  Das Ausbildungsangebot muss größer werden

Die Ausbildungsleistung der Betriebe sinkt seit Jahren. Wurden in der großen Wirtschaftskrise 2008 noch 6.500 Ausbildungsverträge geschlossen, sank danach die Zahl der Neuverträge trotz guter Konjunktur beständig – und betrug in der Coronakrise 2020 nur noch knapp 5.200. Selbst 2022 wurden nur 5.300 neue Ausbildungsverträge geschlossen. Von 2008 bis heute sind also 1.200 Ausbildungsplätze verloren gegangen. Daran haben auch die freiwilligen Vereinbarung mit der Wirtschaft wie aktuell „Ausbildung: innovativ“, die ihre Ziele erneut verfehlt, nichts ändern können. Eine gesetzliche Ausbildungsumlage legt dagegen die Grundlage, mehr Verbindlichkeit in den Ausbildungsmarkt zu bringen und ein ausreichendes Angebot zu schaffen.*

3. Perspektiven aufzeigen  Zu viele junge Menschen bleiben ohne Berufsabschluss

Der Mangel an Ausbildungsplätzen ist wohl einer der Gründe dafür, dass im Land Bremen besonders viele Menschen der jüngeren Generation keinen Berufsabschluss erreichen. Betroffen ist mehr als jede*r fünfte Bremer*in zwischen 25 und 35 Jahren (22,6 Prozent). Ohne Ausbildung gehen sie einer ungewissen Zukunft entgegen. Dabei werden die Jungen dringend gebraucht. Denn der Fachkräftemangel wird sich in den nächsten Jahren deutlich verschärfen. **

4. Fachkräftemangel entgegenwirken  Bald fehlen im Land Bremen 80.000 Fachkräfte

Die zahlenmäßig starke Generation der ältere Arbeitnehmer*innen-verlässt den Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit. Das heißt für Bremen: In den kommenden 10 Jahren gehen etwa 80.000 Beschäftigte in Rente, darunter 52.000 beruflich aus- und fortgebildete Fachkräfte. In 15 Jahren sind es schon mehr als 120.000 Beschäftigte, darunter 80.000 Fachkräfte. Dann wird mehr als jede*r vierte Arbeitnehmer*in mit diesem Qualifikationsniveau aus dem Betriebsalltag verschwunden sein. Für sie braucht es dringend Ersatz, wenn die Wirtschaft in den nächsten Jahren weiterlaufen soll, ohne ins Stottern zu geraten.***

5. Ausbildungsleistung verbessern  Zu viele Betriebe bilden nicht mehr aus

Im Land Bremen bildet nur gut jeder fünfte Betrieb aus (21,2 Prozent). Das ist schon in normalen Zeiten zu wenig, um die Wirtschaft mit einer ausreichenden Zahl von Fachkräften zu versorgen. Doch viele Arbeitgeber sehen einen Marktvorteil darin, sich den Aufwand eigener Ausbildung zu ersparen. Denn Ausbildung kostet Geld. Mitten im demografischen Wandel, in dem viele ausscheidende Fachkräfte ersetzt werden müssen, muss die Ausbildungsleistung der Betriebe aber größer werden.****

6. Motivation steigern  Ausbildungsbetriebe finanziell entlasten

Das Engagement für Ausbildung darf für einzelne Betriebe nicht zum Marktnachteil werden. Denn das bremst die Nachwuchssicherung enorm. Deshalb ist es so wichtig, dass eine Ausbildungsumlage für finanziellen Ausgleich sorgt: Bremer Betriebe, die ausbilden, bekommen künftig mit jährlich bis zu 2.500 Euro pro Auszubildendem einen Teil ihrer Kosten erstattet. Das motiviert die aktiven Unternehmen, noch mehr zu machen, und regt bestenfalls andere an, sich ebenfalls zu beteiligen.

7. Hohes Engagement belohnen  Kleine und mittlere Betriebe profitieren besonders

Gerade kleine und mittlere Betriebe zeichnen sich durch überdurchschnittliches Ausbildungsengagement aus. Deshalb profitieren sie besonders von einer Ausbildungsumlage, denn sie bekommen im Verhältnis viele Rückerstattungen aus dem Fonds. Das ist gut so, denn ihre Unsicherheit ist besonders hoch, ob sich die Investitionen in Ausbildung am Ende auszahlt. Allzu oft wird die frisch ausgebildete Nachwuchskraft nämlich kurzerhand von der großen Konkurrenz abgeworben.

8. Qualität verbessern  Rahmenbedingungen modernisieren

Mit einer Ausbildungsumlage lässt sich auch die Qualität von Ausbildung verbessern. Ein gutes Beispiel ist die Bauwirtschaft. Schon seit vielen Jahren hat sie ein eigenes Umlagesystem und fährt gut damit. Mit den Beiträgen werden nicht nur Ausgaben der Ausbildungsbetriebe finanziert, sondern auch überbetriebliche Ausbildungszentren, in denen alle Azubis einen Teil ihrer Lehrzeit verbringen. Dort stehen gut ausgestattete Lehrwerkstätten, moderne Maschinen und neueste Technik zur Verfügung, die längst nicht alle Betriebe zu bieten haben. Das verbessert die Ausbildungsqualität.

9. Für Unterstützung sorgen  Betriebe und Azubis während der Ausbildung begleiten

Nicht immer läuft alles rund in einer Ausbildung. Ein Viertel aller Ausbildungsverträge (25,6 Prozent) im Land Bremen wird vorzeitig gelöst, knapp 12 Prozent der Azubis scheitern an ihren Prüfungen. Manchmal bedrohen Lernrückstände den Ausbildungserfolg oder machen Prüfungsängste den Abschluss auf letzter Strecke zur Zitterpartie. Manchmal gibt es Konflikte im Betrieb, die sich nicht ohne fremde Hilfe managen lassen. Manchmal sind es auch private Probleme wie Streit mit den Eltern oder eine fehlende Wohnung, die den Ausbildungserfolg gefährden. Mit einer Ausbildungsumlage kann ein Unterstützungssystem aufgebaut werden, das Betrieben und Azubis durch alle Höhen und Tiefen hilft.**

10. Zugang zu Ausbildung verbessern  Möglichst viele junge Leute müssen ins System integriert werden

Auch wenn es im Land Bremen mehr geeignete Bewerber*innen als Ausbildungsstellen gibt, bleiben immer wieder Ausbildungsplätze unbesetzt. Das ist angesichts kommender Fachkräfteengpässe besonders misslich. Dabei zeigt sich, dass Jugendliche mit niedrigen Schulabschlüssen schlechte Chancen haben, einen Ausbildungsvertrag abzuschließen. Denn die Konkurrenz mit Abiturient*innen ist groß: Im Land Bremen wurden zuletzt 37,4 Prozent der neuen Ausbildungsverträge mit jungen Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung abgeschlossen. Ein Umlagesystem in Verknüpfung mit guter Unterstützung während der Ausbildung könnte dafür sorgen, dass mehr Jugendliche mit ungünstigeren Bildungsvoraussetzungen in die duale Berufsausbildung integriert werden können.*****

Mit einer Ausbildungsumlage lassen sich viele Probleme anpacken, um den Ausgleich von Ungleichgewichten am Ausbildungsmarkt, die Integrationskraft des Ausbildungssystems und die Versorgung der Wirtschaft mit Fachkräften zu verbessern. Sie ist aber nicht die Lösung für alles. Im Land Bremen muss an der Weiterentwicklung der schulischen Berufsorientierung gearbeitet und das Übergangssystem reformiert werden. Auch beim Zusammenbringen von Jugendlichen und dem passenden Ausbildungsplatz durch die Jugendberufsagentur und der Vermittlung in Ausbildung ist noch Luft nach oben. Schließlich müssen die Berufsschulen nachziehen und die lange versprochenen Berufsschulcampus sollten endlich Gestalt annehmen, um mit modernem Unterricht in einem ansprechenden Lernumfeld für die duale Berufsausbildung zu punkten.

*Datenquellen: Ergebnisse des Bundesinstituts für Berufsbildung zur Entwicklung des Ausbildungsmarktes 2022 und Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit 2022
**Datenquelle: Datenreport des Bundesinstituts für Berufsbildung 2022
***Datenquelle: Sonderauswertung des Statistik-Service Nordost der Bundesagentur für Arbeit für die Arbeitnehmerkammer 2023
****Datenquelle: Sonderauswertung des Statistik-Service Nordost der Bundesagentur für Arbeit für die Arbeitnehmerkammer 2021
*****Datenquellen: Monitor Ausbildungschancen der Bertelsmann Stiftung 2023 und Lagebericht der Arbeitnehmerkammer 2022

Januar 2023
Text: Regine Geraedts

Regine Geraedts, Referentin für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik
Peer Rosenthal, Hauptgeschäftsführer Arbeitnehmerkammer

Kommentar AKB_Icon_Comment2

Hoher Fachkräftebedarf auf der einen – zu viele junge Menschen ohne Berufsabschluss auf der anderen Seite. Dieses Dilemma können wir uns nicht länger leisten. Deshalb ist der geplante Ausbildungsunterstützungsfonds in Bremen ein wichtiger Schritt. Seit Jahren geht die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zurück. Der Handlungsdruck ist groß! Dies gilt umso mehr, weil sich die Nachfrage nach Fachkräften noch zuspitzen wird.

Es ist wichtig, dass jetzt alle einen Beitrag leisten. Dies geht nicht ohne die Betriebe. Sie müssen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung – und ihrem gesetzlichen Auftrag! – gerecht werden und die Fachkräfte ausbilden, die sie schließlich auch selbst brauchen. Viele Betriebe tun das bereits jetzt – überdurchschnittlich oft sind es kleine und mittlere Unternehmen, die für Nachwuchs sorgen. Aber unterm Strich sind es zu wenige.

In der aktuellen Debatte wird der Ausbildungsfonds den dringend notwendigen Investitionen in das Bildungssystem gegenübergestellt. Das ist ein künstlicher Gegensatz. Eine Verbesserung der Schulbildung in Bremen ist wichtig – keine Frage. Aber sie wird nicht die aktuellen Probleme in der dualen Ausbildung lösen und sie hilft weder den Jugendlichen, die jetzt einen Ausbildungsplatz suchen und auch nicht der Wirtschaft, die jetzt und in naher Zukunft verstärkt auf der Suche nach Fachkräften ist.

Peer Rosenthal

„Ein Baustein, um duale Ausbildung zu stärken“ AKB003_Icon-Download

  • Arbeitnehmerkammer begrüßt Ausbildungsunterstützungsfonds

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