Auswege finden – Mut gewinnen
Etwa die Hälfte aller Mobbingfälle, von denen 18- bis 65-Jährige betroffen sind, findet am Arbeitsplatz statt. Mobbing stellt eine erhebliche seelische Belastung für Betroffene dar und kann weitreichende Folgen bis hin zu schweren Erkrankungen nach sich ziehen.
Stand: Januar 2024
Text: Wiebke Blanquett, Anna Zacharias
Manchmal wird mit dem Begriff aber auch gedankenlos umgegangen. Kritik – auch wenn sie ungerechtfertigt ist – und Meinungsverschiedenheiten sind kein Mobbing. Wer leichtfertig davon spricht, trägt dazu bei, Mobbing zu verharmlosen. Es kann auch dazu führen, dass ein Konflikt am Arbeitsplatz extreme Dimensionen annimmt, wenn er zu schnell mit dem Begriff belegt wurde. Wir zeigen die Folgen von Mobbing auf, was jede und jeder tun kann, um gegen Mobbing am Arbeitsplatz vorzugehen – und wo Betroffene Unterstützung finden.
Jede und jeder kann Ziel von Mobbing-Angriffen werden
Was ist Mobbing?
Bei Mobbing handelt es sich um ein systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren, das über einen längeren Zeitraum stattfindet. Es ist immer spezifisch auf eine bestimmte Person oder Gruppe gerichtet und hat die Ausgrenzung dieser Person oder Gruppe zum Ziel oder zum Ergebnis. Es kann zu erheblichen Belastungen bei den Betroffenen führen.
Beispiele für Mobbing-Handlungen:
- Verleumdung und Verbreiten von negativen Gerüchten
- Belästigen von Beschäftigten bis in die Privatsphäre
- Lächerlich machen von bestimmten Eigenschaften und ständige Kritik an der Arbeit
- Zurückhalten von arbeitsnotwendigen Informationen
- Zuteilung von kränkenden, sinnlosen oder gar keinen Arbeitsaufgaben
- Manipulation von Arbeitsergebnissen
- Hasskommentare oder bloßstellende Bilder, die über digitale Wege verbreitet werden (Cybermobbing)
Für gute Kommunikation, gegenseitige Achtung, Vertrauen und soziale Unterstützung am Arbeitsplatz können alle eintreten.
Ursachen für Mobbing
Insgesamt gilt hier, dass es ganz verschiedene, aber selten einzelne Ursachen, Auslöser oder „Motoren“ zum Mobbing gibt. In der Regel wirken persönliche und betriebliche Auslöser zusammen.
Persönliche Motive für Mobbing:
- Antipathien, Neid, Missgunst, Rache
- Von eigenen Schwächen und Fehlern ablenken wollen
- Bestrafung wegen mangelnder Anpassung
- „Wegbeißen“ von Konkurrenz
Betriebliche Auslöser:
- Schlechtes Betriebsklima und eine innerbetriebliche Kultur, in der Mobbing-Verhalten verharmlost oder nicht als Problem erkannt wird
- Mangel an Führungskompetenz
- Zeitdruck, Überbelastung, Rationalisierung, Stellenabbau
- Unklarheiten in der Arbeitsorganisation und Kommunikation
- Unsicherheit durch Veränderungen im Betrieb
Jede und jeder kann das Ziel von Mobbing-Angriffen werden. Menschen mit bestimmten unveränderlichen Merkmalen, die sichtbar oder auch nicht sichtbar sein können, wie zum Beispiel Migrationshintergrund, Religion, sexuelle Orientierung oder eine Behinderung, sind jedoch häufiger Mobbing ausgesetzt als andere.
Besondere Formen des Mobbings
- Mobbing kann das Verhalten von Kolleginnen und Kollegen untereinander, gegenüber Führungskräften (Staffing) oder das Verhalten von Führungskräften gegenüber Mitarbeitenden betreffen (Bossing).
- Eine besondere Form des Mobbings ist das Gaslighting. Dies ist eine Form der psychischen Gewalt, die darauf zielt, eine Person zu verunsichern und die eigene Wahrnehmung infrage zu stellen: zum Beispiel dadurch, dass geleugnet wird, dass bestimmte Anweisungen gegeben oder Absprachen getroffen wurden. Wichtige Dokumente oder Arbeitsgegenstände verschwinden oder werden verlegt. Dies kann darin gipfeln, dass die gemobbte Person an ihrer eigenen geistigen Gesundheit zweifelt.
- Das Ghosting gewinnt auch im Arbeitsleben an Bedeutung, seit Kommunikation mit den Kollegen und Kolleginnen häufiger über digitale Kanäle läuft. Von Ghosting spricht man, wenn Vorgesetzte oder Kollegen und Kolleginnen grundlos über Stunden oder Tage nicht auf berufliche Anfragen reagieren oder zum Beispiel die Einladung einer Person zu wichtigen Meetings häufiger „vergessen“ wird.
Die Phasen des Mobbings
Bei Mobbing handelt es sich um einen schleichenden Prozess, bei dem häufig vier Phasen unterschieden werden können. Ausgangspunkt kann ein ungelöster Konflikt sein. Wenn gegen einen solchen nichts unternommen wird, kann es zu einem destruktiven Verlauf kommen. Kolleginnen und Kollegen, Betriebs- und Personalräte, Gleichstellungs- oder Schwerbehindertenbeauftragte, betriebliche Sozialberatung oder andere, die bereit sind, in einer konflikthaften Situation zu helfen, können viel dazu beitragen, dass sich die festgefahrene Lage am Arbeitsplatz entspannt.
Phase 1
Schlecht oder nicht bewältigter Konflikt: Eine Person wird zum Sündenbock gemacht, erste vereinzelte persönliche Angriffe
Phase 2
Mobbing und Psychoterror: Der Ursprungskonflikt rückt in den Hintergrund. Die Person wird systematisch schikaniert, herabgesetzt und ausgegrenzt.
Phase 3
Eskalation: Es kommt zu Fehldeutungen der Situation, der/die Betroffene macht aufgrund der Verunsicherung gegebenenfalls tatsächlich Fehler, es kann zu arbeitsrechtlichen Sanktionen wie Abmahnungen oder Kündigungsdrohungen kommen.
Phase 4
Ausschluss aus dem Betrieb: Verlust des Arbeitsplatzes durch eigene Kündigung oder Kündigung des Arbeitgebers.
Mobbing hat Folgen …
... für die Betroffenen
Anfeindungen, Schikanen und Diskriminierungen bedeuten für jeden Menschen Stress und können, wenn sie fortgesetzt und systematisch erfolgen, schwere psychische und gesundheitliche Auswirkungen haben:
- Mobbing kann schon nach wenigen Tagen zu psychosozialem Unwohlsein führen, zum Beispiel Gefühle der Unsicherheit, Niedergeschlagenheit, Angst zur Arbeit zu gehen oder innere Unruhe, das Selbstwertgefühl leidet.
- Nach mehreren Wochen können Gesundheitsbeschwerden, wie zum Beispiel Schlafstörungen, häufige Kopf- oder Magenschmerzen, Depressionen, Konzentrationsschwierigkeiten oder Herzerkrankungen dazukommen.
… für Betriebe
- Sinken von Motivation, Produktivität und Qualität
- Blockieren von Information
- Verlust von Teamfähigkeit und Teamarbeit
Mobbing wirkt nicht nur auf die direkt Betroffenen, sondern auch auf alle Kolleginnen und Kollegen, die unter dem negativen Betriebsklima leiden. Dies bietet Nährboden für neue Konflikte. Die Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit von Beschäftigten kann eingeschränkt werden. Mit krankheitsbedingter Lohnfortzahlung, kostenintensivem Einsatz von Vertretungen bis hin zu Neueinstellungen und den damit verbundenen Einarbeitungszeiten muss gerechnet werden.
Was können Sie tun?
Die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wurden in letzter Zeit gestärkt. Es gibt Schutzrechte für Beschäftigte im Betrieb und unter Umständen können sich Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche ergeben. Lassen Sie sich rechtlich beraten.
Betroffene, Kolleginnen und Kollegen, Mitglieder der betrieblichen Interessenvertretung, Führungskräfte oder Fachleute des Arbeitsschutzes haben die Möglichkeit, die Initiative zu ergreifen: Alle Beteiligten auf allen betrieblichen Ebenen sind grundsätzlich gefordert, an der Lösung von Konflikten mitzuarbeiten. Gehen Sie gezielt und systematisch vor, um Mobbingprozesse in Ihrem Betrieb zu bewältigen oder ihnen vorzubeugen!
Es ist ratsam, möglichst früh einzugreifen und Unverschämtheiten und Gemeinheiten nicht zuzulassen. Denn je früher reagiert wird, desto größer sind die Aussichten, den Konflikt aufzuarbeiten und den Ablauf zu unterbrechen.
Was können Sie tun, wenn Sie selbst betroffen sind?
- Handeln Sie frühzeitig: Gerade in der Anfangsphase kann eine offene Aussprache einen zugrunde liegenden Konflikt offenlegen und Lösungen aufzeigen.
- Suchen Sie Rückendeckung im Kollegenkreis und/oder bei Vorgesetzten.
- Bitten Sie eine Vertrauensperson um Vermittlung.
- Informieren Sie Ihre Führungskraft und fordern Sie sie auf, gegen das Mobbing einzuschreiten.
- Schreiben Sie alle Schritte des eigenen Vorgehens und das des Widersachers/der Widersacherin und deren Wirkung auf Sie auf, sammeln Sie auch schriftliche Beweise (Mobbing-Tagebuch).
- Klären Sie rechtliche Fragen mit Unterstützung einer Rechtsberatung ab.
- Ziehen Sie ärztliche und/oder psychologische Hilfe hinzu.
- Holen Sie sich Unterstützung beim Betriebs-/ Personalrat, der Frauenbeauftragten, der Betriebsärztin, der Sozialberatung oder einer Beratungsstelle.
Wenn auf betrieblicher Ebene nichts mehr geregelt werden kann, sollten Betroffene ihre Energie auf die Verbesserung der persönlichen Situation richten:
- Nutzen Sie den Rückhalt in der Familie und im Freundeskreis, eine Freizeitbeschäftigung, die Spaß macht und gemeinsame Aktivitäten, um Kraftreserven zu mobilisieren und Ihr Selbstwertgefühl zu stärken.
- Schalten Sie eine neutrale Vermittlung von außen ein. Holen Sie sich Unterstützung und fachkundige Beratung, um eine neue Lebensplanung zu entwickeln, bevor Ihre körperliche und seelische Gesundheit vollends beeinträchtigt ist.
- Klären Sie Möglichkeiten der beruflichen und sozialen Rehabilitation ab.
Was können Sie als Mitglied der betrieblichen Interessenvertretung tun?
- Verschaffen Sie sich einen Überblick, welcher Konflikt vorliegt und wer wie beteiligt ist.
- Streben Sie Vermittlungsgespräche an.
- Weisen Sie auf das Beschwerderecht von Beschäftigten (§§ 84 und 85 BetrVG) hin.
- Legen Sie Widerspruch gegen arbeitsrechtliche Maßnahmen ein.
- Bestehen Sie auf Einhaltung der Persönlichkeitsrechte (§ 75 BetrVG).
- Sorgen Sie dafür, dass psychische Belastungen beim betrieblichen Arbeitsschutz berücksichtigt werden. Beziehen Sie den Betriebsarzt/die Betriebsärztin oder die Sozialberatung ein.
Was können Sie als Kollege, Kollegin oder Führungskraft tun?
- Fühlen Sie sich zuständig und zeigen Sie, dass Mobbing unter keinen Umständen geduldet wird. Als Teil der Prävention sollte auch unangemessenes Sozial- oder Kommunikationsverhalten nicht hingenommen, sondern angesprochen werden.
- Sprechen Sie die Beteiligten an mit dem Ziel, zu vermitteln, oder
- greifen Sie auf kompetente Beratung von außen zurück, wenn persönliche Intervention keine Aussicht auf Erfolg verspricht oder aus anderen Gründen nicht ratsam ist.
Was können Sie als Arbeitgeber tun?
Als Arbeitgeber haben Sie eine arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht gegenüber den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dazu zählen die Gleichbehandlung sowie der Schutz der Gesundheit und der Persönlichkeit. Im Sinne der Fürsorgepflicht müssen die Beschäftigten auch vor Angriffen durch andere geschützt werden.
Aufgrund des Arbeitsschutzgesetzes sind Sie verpflichtet, die Abläufe im Unternehmen so zu organisieren, dass die Beschäftigten gesundheitsgerechte und sichere Arbeitsbedingungen vorfinden. Dies umfasst nicht nur die Verhütung von Unfällen und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren, sondern auch die menschengerechte Gestaltung der Arbeit und den Schutz vor psychischer Belastung.
Die Gestaltung der sozialen Beziehungen bei der Arbeit gilt als ein wesentlicher Ansatzpunkt, um psychischer Belastung vorzubeugen. Konflikten, zum Beispiel auch aus Zeitdruck oder Überforderung, die mitauslösende Faktoren für Mobbing sein können, sollte durch geeignete Maßnahmen begegnet und deren Wirksamkeit überprüft werden.
Am besten wird Mobbing im Betrieb bereits präventiv begegnet.
Sie haben viele Möglichkeiten:
- Schulen Sie Beschäftigte, Führungskräfte und andere maßgebliche Personen im Betrieb.
- Ermitteln Sie Ursachen für Belastungen und ergreifen Sie Maßnahmen zu deren Verringerung.
- Schließen Sie Dienst- und Betriebsvereinbarungen für partnerschaftlichen Umgang im Betrieb, gegen sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Gewalt ab.
- Benennen Sie Mobbing- oder Konfliktbeauftragte.
- Richten Sie eine Beschwerdestelle ein.
- Schlagen Sie Konfliktlösungsmodelle vor.
- Veranstalten Sie eine Informations- und Aufklärungskampagne.
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht und müssen ihre Beschäftigten vor Mobbing schützen
Das neue Hinweisgeberschutzgesetz
Ab dem 17. Dezember 2023 müssen Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten ein internes Hinweisgebersystem einrichten (größere Unternehmen schon seit Juli 2023). Personen, die über diesen Weg auf Missstände in Unternehmen aufmerksam machen, sollen vor Repressalien wie zum Beispiel Mobbing geschützt werden.
Lassen Sie sich dazu beraten, wenn sie auf Missstände in Ihrem Betrieb hinweisen wollen!
Weitere Informationen
Informationen zum Hautschutz in ihrem Berufsfeld bekommen Sie bei Ihrer Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse. Sie wissen nicht, welche Berufsgenossenschaft für Sie zuständig ist? Die kostenfreie Info-Hotline der Gesetzlichen Unfallversicherung informiert Sie unter der Telefonnummer 0800 60 50 40 4.
Ihre Krankenkasse informiert Sie über kostenlose Vorsorgeuntersuchungen und mögliche Stresspräventionskurse.
Bildungszeiten oder Kurse zum Thema bieten die Volkshochschule, Sportvereine oder die Wirtschafts- und Sozialakademie der Arbeitnehmerkammer Bremen.
Die Beratungsstelle zu Berufskrankheiten (BK) der Arbeitnehmerkammer Bremen informiert unter der Telefonnummer 0421.6 69 50-36 über BK-Antrag und -Verfahren.
Schlagwörter
Weitere Informationen
Zum Weiterlesen
Wenn aus Kollegen Feinde werden. Der Ratgeber zum Umgang mit Mobbing
Hrsg. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund 2010
Ver.di – Informationen zu Mobbing
Beratungsangebote
- Beratung, Information und Fortbildung für Betroffene, Handlungsverantwortliche und Interessenvertretungen für Studierende und Beschäftigte der Hochschulen und der Kernverwaltung des öffentlichen Dienstes im Land Bremen: Arbeitsstelle ADE an der Universität Bremen, Tel. 0421.218 601-70
- Mobbing-Beratung für Ver.di-Mitglieder im Bezirk Bremen/Nord-Niedersachsen, Terminvergabe unter bz.bremen-nordnds@verdi.de
- Psychologische Beratung und Unterstützung in Krisenfällen: Familien und Lebensberatung der Bremischen Evangelischen Kirche Tel. 0421.33 35 63
- Übersicht von Beratungsstellen bei Diskriminierung
- Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen
- Hilfs- und Beratungsangebote in Bremen
Unser Beratungsangebot
- Rechtsberatung der Arbeitnehmerkammer
- Beratungsstelle zu Berufskrankheiten Arbeitnehmerkammer Bremen 0421.6 69 50-36