Wie lassen sich staatliche Zukunftsinvestitionen überhaupt noch finanzieren?
Sowohl im Land Bremen als auch auf Bundesebene gibt der reguläre Haushalt keine Spielräume für so große Investitionen her, wie sie der Klimaschutz erfordert. Einige Expertinnen und Experten sagen, dass selbst die geplanten 60 Milliarden Euro nicht ausreichend waren und man eher mit 100 Milliarden Euro rechnen müsse – pro Jahr.
Also müssen die Steuern erhöht werden?
Es dürfen auf keinen Fall niedrige und mittlere Einkommen stärker besteuert werden – die Belastung für diese Menschen ist schon jetzt sehr groß. Es wäre folgerichtig, konkreter über die Steuern für sehr hohe Erbschaften und sehr große Vermögen nachzudenken – das würde vor allem die Landeshaushalte entlasten. Der Bund könnte eine einmalige Vermögensabgabe einziehen, immerhin gibt es in Deutschland 4.300 superreiche Haushalte, die ein Vermögen von 1.400 Milliarden Euro besitzen, wie eine Studie des Netzwerk Steuergerechtigkeit und der Hans-Böckler-Stiftung gerade ermittelt hat. Für eine solche einmalige Abgabe gäbe es sogar historische Vorbilder. Es darf nicht darum gehen, jemandem das durch harte Arbeit angesparte Eigenheim streitig zu machen.
Welche Ausgaben ließen sich einsparen?
Bei den klimaschädlichen Subventionen gibt es sicher Kürzungspotenzial. Insgesamt machen sie passenderweise rund 65 Milliarden Euro aus, wie das Umweltbundesamt 2021 ausgerechnet hat.
Bei Menschen zu sparen, die am oder knapp über dem Existenzminimum leben, ist unsozial und eventuell sogar verfassungswidrig. Auch rein ökonomisch gesehen wären Kürzungen bei den Sozialausgaben wenig produktiv: Für die Investitionen in den Klimaschutz braucht es sehr viel mehr Geld, als sich hier einsparen ließe. Da wäre schon ein sehr radikaler sozialer Kahlschlag notwendig. Außerdem leben wir in wirtschaftlich sehr angespannten Zeiten. Einsparungen bei Sozialleistungen würden die Rezession verschärfen und die Akzeptanz für den Klimaschutz in der Bevölkerung aufs Spiel setzen. Das wäre kein Konjunkturprogramm für Wirtschaft und Beschäftigung, sondern hilft vor allem Rechtspopulisten.
Ist die Schuldenbremse noch tragbar?
Die Schuldenbremse ist in ihrer heutigen Form eine Investitions- und eine Zukunftsbremse! Das Urteil zeigt ihre konzeptionellen Schwächen sehr deutlich: In Krisen, die keine Notlagen im Sinne der Schuldenregeln sind, hat die Regierung zu wenig Handlungsspielraum. Doch 2045 will Deutschland klimaneutral sein – das setzt massive Investitionen voraus, sowohl staatliche als auch private. Unternehmen investieren aber nicht, wenn sie die nächsten fünf bis zehn Jahre nicht einigermaßen planen können. Das geht jedoch nicht, wenn der Staat jedes Jahr neu über Kredite entscheiden muss.
So wie die Schuldenbremse heute funktioniert, enden aus ihrer Sicht Krisen immer genau am Jahresende. Das ist unrealistisch. Sie muss deshalb grundlegend reformiert werden. Es ist ökonomisch sinnvoll, wenn mittel- und langfristige Investitionen über Kredite finanziert werden: So macht das auch jedes Unternehmen. Wieso sollte der Staat sie mit laufenden Steuereinnahmen bezahlen, wenn sich der Nutzen erst in Zukunft entfaltet? Außerdem führen staatliche Investitionen dazu, dass Unternehmen investieren. Staatsausgaben – auch Staatsschulden – sind wichtig für konjunkturellen Aufschwung in ökonomisch schwierigen Zeiten.
Welche konkreten Lösungsvorschläge hat die Arbeitnehmerkammer?
Eine Möglichkeit wäre, staatliche Investitionen aus dem engen Korsett der Schuldenbremse zu lösen. Wir müssen auch darüber reden, was als Investition gilt: Bildungsausgaben etwa gelten bisher als „Konsumausgaben“. Angesichts des Fachkräftemangels ist klar, dass der sozial-ökologische Umbau der Gesellschaft nicht ohne höhere Bildungs- und Weiterbildungsausgaben zu haben ist.
Ein weiterer Lösungsweg besteht darin, dass der Bund durch Ausgaben die finanzielle Lage der Deutschen Bahn oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau stärkt. Solche Zahlungen sind von der Schuldenbremse ausgenommen. So ließe sich unter anderem der klimafreundliche Ausbau der Bahn finanzieren. Auch über eine neue Infrastrukturgesellschaft des Bundes nach diesem Vorbild sollte man nachdenken – sie könnte sich um die Investitionen in den Klimaschutz kümmern.
Eines ist glasklar: Die aktuelle Schuldenbremse gefährdet Arbeitsplätze! Der alleinige Fokus auf den Schuldenstand ist irreführend. Selbst der Internationale Währungsfonds fordert die deutsche Regierung dazu auf, von den strengen Schuldenregeln abzurücken. Dem schließen wir uns an.