Blick auf das Stahlwerk in Bremen

Wofür Bremen neue Kredite braucht

Bremen nimmt trotz Schuldenbremse 1,3 Milliarden Euro auf. Eine strikte Sparpolitik gefährdet viele Jobs

18. April 2024

Der Bremer Senat hat soeben aufgrund der zahlreichen Krisen auch für 2024 eine Notlage festgestellt. Damit kann das Land trotz Schuldenbremse neue Kredite aufnehmen. Über wieviel Geld sprechen wir und was ist damit geplant?

Kevin Rösch: Die vom Senat erklärte Notlage bezieht sich auf die weiterhin spürbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie, des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen Energiekrise. Insgesamt plant die Landesregierung rund 715,5 Millionen Euro an kreditfinanzierten Ausgaben. Vorgesehen sind Investitionen in das Stahlwerk und den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Höhe von 308,5 Millionen Euro – dafür wird mit Unterstützung der CDU ein Sondervermögen eingerichtet. Hinzu kommen 78,3 Millionen Euro für die Bremer Straßenbahn AG und 86,5 Millionen für den kommunalen Klinikverbund. Damit bleiben zentrale Bausteine der öffentlichen Daseinsvorsorge und die damit verbundenen Arbeitsplätze erhalten – davon profitieren insbesondere auch Frauen. Die Versorgung von ukrainischen Geflüchteten schlägt mit 147,8 Millionen Euro zu Buche, 80 Millionen Euro werden in energetische Gebäudesanierungen investiert, insbesondere an den Hochschulen und Kliniken. Außerdem fließen 14,6 Millionen Euro in die Umsetzung von Bundes- und Landesförderprogrammen, die aufgrund der Krisen ins Leben gerufen wurden.

Weitere 585 Millionen Euro werden für die geplanten Schulbau- und Stadtentwicklungsgesellschaften aufgenommen. Allerdings fallen diese Kredite nicht unter die Schuldenbremse. Die Gesamtkreditaufnahme beläuft sich also auf etwa 1,3 Milliarden Euro.

Wie beurteilt die Arbeitnehmerkammer diesen Beschluss der Landesregierung?

Wir begrüßen, dass der Senat eine weiterhin andauernde Notsituation erklärt hat. Vor dem Hintergrund der schwachen Konjunkturentwicklung und stagnierender Prognosen für die Beschäftigungsentwicklung auch für das Land Bremen darf jetzt nicht in die Krise hineingespart werden. Vielmehr gilt es, in die künftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu investieren und mit Blick auf die städtischen Kliniken und den Nahverkehr die öffentliche Daseinsvorsorge zu sichern. Der Staat muss handlungsfähig bleiben. Dies ist auch eine Frage der Gerechtigkeit.

"Bremen darf jetzt nicht in die Krise hineingespart werden"


Kevin Rösch, Referent für Finanz- und Wirtschaftspolitik

Haben sich die Prioritäten im Haushalt denn grundsätzlich verschoben?

Im Kern haben wir es nicht mit maßgeblichen Änderungen zu tun. Seit 2020 entwickelten sich die Anteile der Ausgaben für Sozialleistungen, Investitionen, Personal, Zinsen sowie sonstige Konsumausgaben relativ gleichbleibend. Das soll nach dem aktuellen Haushaltsentwurf zumindest bis 2027 auch so bleiben. Einzig bei den Personalkosten und den sonstigen konsumtiven Ausgaben ist ein vergleichsweise stärkerer Anstieg um ein paar Prozentpunkte zu verzeichnen. Hier schlägt sich die Erhöhung der Tariflöhne im öffentlichen Dienst nieder, die angesichts der Inflation der letzten Jahre lange überfällig war. Außerdem werden neue Arbeitsplätze für Lehrkräfte, in der Jugendhilfe und bei der Feuerwehr geschaffen.

Die Opposition fordert vom Senat mehr Sparanstrengungen: Die Krisenfolgen sollen direkt aus dem Haushalt finanziert werden, nicht über neue Schulden. Dann müsste Bremen an anderer Stelle stark kürzen. Wieviel Spielraum hat das Land überhaupt bei seinen Ausgaben?

Der Spielraum für die Bundesländer ist da sehr begrenzt. Viele der Ausgaben, insbesondere die Sozialausgaben, werden durch den Bund vorgegeben. Nicht nur mit Blick auf ein menschenwürdiges Leben für alle, sondern auch wegen der schleppenden Inlandsnachfrage ist es absolut fatal, hier zu kürzen.

Auch auf der Einnahmeseite sind den Ländern zum großen Teil die Hände gebunden: Nicht einmal ein Viertel der Steuereinnahmen im Bremer Haushalt speist sich aus Landes- und Gemeindesteuern. Bei den überschaubaren Einnahmen Bremens etwa aus seinen Erbschaft- und Grunderwerbsteuern oder der Gewerbe- und Grundsteuer besteht kurzfristig wenig Raum für Erhöhungen. Es ist also folgerichtig, auf Bundesebene über die Steuern für sehr hohe Erbschaften und sehr große Vermögen nachzudenken – das würde die Landeshaushalte entlasten und für eine gerechtere Vermögensverteilung in Deutschland sorgen.

Reichen die neuen Kredite denn aus?

Nein! Auch wenn Bremen jetzt rund 1,3 Milliarden Euro an neuen Krediten aufnimmt: Mit dieser Summe liegt das Land weiterhin ziemlich deutlich hinter den im „Klimafonds“ vorgesehenen drei Milliarden Euro zurück. Die Enquetekommission „Klimaschutzstrategie für das Land Bremen“ forderte in ihrem Abschlussbericht sogar sechs bis sieben Milliarden Euro und sprach von weiteren Kosten von 200 bis 380 Millionen Euro im Jahr. Eine strikte Sparpolitik hätte jedoch zur Folge, dass der industrielle Kerne Bremens und seine öffentlichen Daseinsvorsorge nicht gesichert werden könnten. Das hätte dramatische Folgen für den Wirtschaftsstandort und würde viele Arbeitsplätze gefährden.

Fragen: Jan Zier
Foto: iStock