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Viele Ideen, jetzt muss es konkret werden
Der Bremer Koaltitionsvertrag
Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und der Linkspartei nimmt viele Forderungen der Arbeitnehmerkammer auf. Arbeits- und Wirtschaftspolitik gehören nun zu verschiedenen Ressorts – die zuletzt gebauten Brücken dürfen dadurch aber keine Risse bekommen.
Text: Jan Zier
Illustrationen: Asja Beckmann
1. September 2023
Die gesellschaftlichen Aufgaben sind groß, die Folgen des Klimawandels, der Pandemie, des Krieges müssen bewältigt werden. In Bremen sind die Herausforderungen noch größer: Viele Beschäftigte haben keinen Berufsabschluss und die Industrie ist durch den Umstieg auf erneuerbare Energien besonders gefordert. Zudem ist die Haushaltslage sehr angespannt. Vor diesem Hintergrund ist auch der Koalitionsvertrag für die nächsten vier Jahre zu sehen. Doch mit Blick auf prekär beschäftigte Menschen oder die extrem niedrige Erwerbsbeteiligung von Frauen müssen dringend Fortschritte erzielt werden.
Ausbildung und Arbeit
Wir begrüßen, dass der neue Senat zum Ausbildungsfonds steht und hoffen, dass dieser die Klagen der Wirtschaftskammern übersteht. Und wir freuen uns, dass es weiter die Aufstiegsfortbildungsprämie geben wird: Damit können Meisterabschlüsse oder solche in den Pflege- und Erziehungsberufen honoriert werden. Positiv ist auch, dass, wie von uns gefordert, ein Landes-BAföG geplant ist. Es soll Beschäftigte finanziell unterstützen, die sich auf den Weg zur Fachkraft machen. Bei den Assistenzkräften in der Pflege muss eine zweijährige Ausbildung der Standard werden. Hier bleibt der Koalitionsvertrag noch zu vage. Zudem müssen aus unserer Sicht alle Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger sowie alle Sozialassistentinnen und Sozialassistenten eine Weiterbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher machen –
es sei denn, sie werden nur in „Rand“-Zeiten eingesetzt. Betriebe und junge Menschen müssen in Sachen Ausbildung besonders unterstützt werden, und zwar nicht nur mit dem Geld aus dem Ausbildungsfonds. Berufliche Ausbildung muss einen hohen Stellenwert und mit den geplanten Berufsschulcampus auch gute Sichtbarkeit in unseren Städten bekommen.
Wirtschaft
Die Zusammenlegung der Ressorts für Arbeit und Soziales eröffnet die Chance, sich intensiv der Arbeitslosigkeit zu widmen. Die eben gebauten Brücken zwischen Wirtschaft und Arbeit dürfen durch die neuen Aufgabenverteilungen aber keine Risse bekommen. So müssen wir gerade in der Logistik – sie beschäftigt über 40.000 Menschen in Bremen –
die seit Jahren rückläufige Tarifbindung erhöhen. Und es müssen mehr betriebliche Kontrollen stattfinden: Mindestlohn- und Arbeitsschutzgesetze sind kein „Nice-to-have“. Deshalb ist es gut, wenn die Kontrollbehörden mehr Personal bekommen – hoffen wir, dass es sich finden lässt!
Für die Zukunft der Firmen ist die Fachkräftesicherung die größte Herausforderung. Qualifizierungspolitik ist da die beste Form der Wirtschaftsförderpolitik. Wir begrüßen deshalb, dass eine Transitionsgesellschaft geplant ist. Sie soll Beschäftigte beraten, ihnen berufliche Perspektiven vermitteln und sie bei der Umschulung und Weiterbildung unterstützen. Anders als Transfergesellschaften für jene, die konkret von Arbeitslosigkeit bedroht sind, muss sie frühzeitig und betriebsübergreifend arbeiten.
Darüber hinaus muss die Wirtschaftsförderung ein Bonussystem etablieren, das einen Anreiz für tarifgebundene Firmen schafft. Es steht nicht in der Koalitionsvereinbarung. Das Profil der Wirtschaftsförderung muss aber dringend politisch geschärft werden: Sie muss ein Dienstleister der Kommune im Strukturwandel werden. Auch die Reintegration ins Wirtschaftsressort darf kein Tabu sein.
Gleichstellung
Die Themen Gleichstellung und Diversität ziehen sich an vielen Stellen durch den Koalitionsvertrag. Dort, wo es ums Geld geht, wird es aber trotz aller Ideen vage. Dabei verzeichnet Bremen im Vergleich aller Länder die niedrigste Erwerbsbeteiligung von Frauen. Deshalb muss die Entgeltgleichheitsstrategie als ein Bündel vieler Maßnahmen vorangebracht werden. Deren Finanzierung ist zum Teil noch offen, ebenso die Beteiligung der Wirtschaftsförderung.
„Die Gleichstellung von Frauen muss ein Thema auch der Wirtschaftsförderung werden.“
Elke Heyduck, Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer
Migration
Migration wird zwar prominent auf die politische Agenda gesetzt, doch die Ziele werden zu wenig mit konkreten Maßnahmen verbunden. Und es wird nicht klar, dass die Gruppe der Menschen ohne deutschen Pass sehr heterogen ist und ihre Bedarfe stark variieren. Dabei sind Fachkräfte mit Migrations- und Fluchtbiografie eine wichtige Zielgruppe der Wirtschaft. Wir werden uns deshalb für das geplante Kompetenzzentrum „Fachkräftegewinnung und Zuwanderung“ starkmachen. Gerade in der Gesundheitswirtschaft kann es aber nicht nur darum gehen, ausländische Beschäftigte zu gewinnen. Mit guten Arbeitsbedingungen müssen Fachkräfte gehalten und zurückgewonnen werden. Jeder neunte Euro in Bremen wird in dieser Branche verdient. Hamburg hat ein agiles Netzwerk für die Gesundheitswirtschaft – das sollte ein Vorbild für Bremen sein.
Kitas
Es ist gut, dass es in jedem Stadtteil eine Kita geben soll, die „Rand“-Zeiten abdeckt. Denn ohne einen Ausbau der Ganztagesbetreuung gibt es keine Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitsbedingungen in den Kitas müssen aber so attraktiv sein, dass Menschen dort arbeiten wollen. Dazu muss die praxisintegrierte Ausbildung (PiA) – die stark ausgebaut werden soll – als tariflich bezahlte, quasi duale Ausbildung zum Standard werden.
Fazit: Der Koalitionsvertrag bietet gute Ansätze. Sie müssen aber noch konkretisiert werden – vor allem, wenn das Parlament im nächsten Haushalt das Geld verteilt.