Drei Väter mit ihren Kindern auf dem Spielplatz

Väterzeit

Ein Gewinn für alle

Wenn Väter sich stärker in die Familie einbringen ist das ein Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit. Doch so lange der Arbeitsmarkt für Frauen und Männer nicht die gleichen Chancen bereithält, steht das Sichern des Familieneinkommens an erster Stelle. Das hat auch für die Elternzeit Konsequenzen. Drei Bremer Väter erzählen.

Text: Insa Lohmann
Fotos: Jonas Ginter
1. Mai 2023

Im Land Bremen nimmt mittlerweile jeder dritte Vater Elternzeit. Zwei von dreien unterbrechen nach der Geburt eines Kindes ihre Erwerbstätigkeit für zwei Monate – jeder dritte Vater für mehrere Monate. Davon profitieren alle: die Väter wachsen in nachhaltig stabilere Bindungen zu ihrem Kind hinein. Das entlastet die Mütter und hat positive Auswirkungen auf ihren beruflichen Wiedereinstieg. Und auch Betriebe und Unternehmen profitieren bei der Personalplanung.

Der Vater geht arbeiten, die Mutter kümmert sich um die Kinder: viele junge Menschen können mit diesem klassischen Rollenbild nicht viel anfangen – immer mehr Väter möchten mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Doch konkret sind es mehrere Faktoren, die maßgeblich beeinflussen, wie Mütter und Väter die Aufgaben in Familie und Beruf aufteilen: möglichst familienbewusste Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz, die Verfügbarkeit von (ganztägigen) Betreuungsplätzen sowie die Grundhaltung der Mütter und Väter. Zuvorderst steht aber das verfügbare Einkommen.

Alexander Ruß, Koch, 4 Monate Elternzeit:
„Es war gut, dass ich die Rücklagen hatte. Sonst wäre es nicht gegangen."

Wie schwierig es sein kann, finanzielle Einbußen in der Elternzeit auszugleichen, weiß Alexander Ruß. Der Koch aus Bremen nahm sich im vergangenen Jahr insgesamt vier Monate Elternzeit, möglich war das nur, indem er auf Rücklagen und Erspartes zurückgriff. „Ich habe mir in Vorbereitung auf diese Zeit extra etwas angespart“, sagt er. Als er von der Schwangerschaft seiner Partnerin erfuhr, habe er neben seinem Vollzeitjob nach Feierabend und am Wochenende zusätzlich einen Nebenjob ausgeübt. „Es war gut, dass ich die Rücklagen hatte. Sonst wäre es nicht gegangen“, sagt der 34-jährige Bremer. Die Entscheidung für die Elternzeit würde er trotz der finanziellen Hürden jederzeit wieder treffen: „Ich habe mich total darauf gefreut, jeden Tag zu sehen, was mein Kind lernt. Das ist eine Erfahrung, die man nicht wiederbekommt.“ Die gemeinsame Zeit habe nicht nur die Bindung zu seiner heute einjährigen Tochter gestärkt, sondern auch sein Vertrauen, verschiedenste Situationen des Alltags alleine bewältigen zu können: das Kind anziehen, unterwegs wickeln, mit Baby einkaufen, gemeinsame Kurse besuchen, Arzttermine wahrnehmen, trösten. Die Elternzeit habe nicht nur für ihn viele Vorzüge gehabt, auch seiner Partnerin habe das den Berufseinstieg nach sieben Monaten erleichtert. 

Knapp 36 Prozent der Väter im Land Bremen erhalten Elterngeld, Tendenz steigend. Zum Vergleich: 2008 waren es noch 18 Prozent. Die wenigsten Väter bleiben allerdings länger zuhause, im Durchschnitt beziehen sie 3,7 Monate Elterngeld. Mütter beziehen durchschnittlich über 13 Monate Elterngeld.

Je länger die Elternzeit der Väter andauert, desto schneller steigen Mütter nach der Geburt des Kindes wieder in den Beruf ein.

Je länger die Elternzeit der Väter andauert, desto schneller steigen Mütter nach der Geburt des Kindes wieder in den Beruf ein – das hat eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ergeben. Ist der Vater mehr als sechs Monate in Elternzeit, sind die meisten Mütter nach neun Monaten wieder beschäftigt. Beträgt die Väterzeit vier bis sechs Monate, beginnt der Wiedereinstieg der Mutter meist nach zehn Monaten. Bei zwei bis 
vier Monaten tritt sie nach 13 Monaten wieder in den Beruf ein. Bei einer Väterzeit von zwei Monaten sind es 20 Monate. Findet keine Väterzeit statt, dauert es in der Regel 24 Monate, bis die Mutter wieder beschäftigt ist.

Kurzfristig betrachtet erscheint es in vielen Fällen aufgrund der Gehaltsunterschiede zwar sinnvoll, dass Frauen die längere Elternzeit nehmen – weil oft Männer mehr verdienen und so mehr Haushaltseinkommen übrigbleibt. Längerfristig hat es aber häufig negative Folgen. „Wenn die Väter Vollzeit arbeiten, läuft der berufliche Wiedereinstieg bei vielen Frauen dann auf Teilzeit hinaus“, sagt Thomas Schwarzer, Referent für kommunale Sozialpolitik bei der Arbeitnehmerkammer Bremen. Zieht sich die Arbeit in Teilzeit dann über mehrere Jahre hin, wenn zum Beispiel ein weiteres Kind geboren 
wird, sind dauerhafte Einbußen beim Einkommen und später bei der Rente vorprogrammiert. Längere Elternzeiten von Vätern können also dazu beitragen, mögliche negative Karrierefolgen von Müttern abzufedern – so auch die These der IAB-Untersuchung.

Hendrik Schnaars, Softwareingenieur, 6 Monate Elternzeit:
„Der Umstand, dass meine Frau die Hauptverdienerin im Haushalt ist, hat die Entscheidung für ihren frühen Einstieg beeinflusst.“

Für Hendrick Schnaars hat die Entscheidung, sich die Elternzeit untereinander aufzuteilen, auch beruf­liche Gründe gehabt. „Es war klar, dass meine Frau bei unserem zweiten Kind nicht länger zuhause bleiben wollte“, sagt er. Sie stieg wenige Monate vor dem ersten Geburtstag wieder in ihren Job als Steuerberaterin ein. Auch der Umstand, dass seine Frau die Hauptverdienerin im Haushalt ist, habe die Entscheidung für ihren frühen Einstieg beeinflusst. „Für mich war schnell klar, dass ich bei meiner zweiten Tochter unbedingt länger Elternzeit nehmen wollte.“ Das hieß: sechs Monate Elternzeit gefolgt von zehn Monaten Teilzeit. Gleichberechtigung in einer Partnerschaft bedeute für ihn, dass auch die Erziehung und Betreuung der Kinder gleichermaßen aufgeteilt werde: „Ich wollte auch ein Teil davon sein, nicht nur nachmittags und abends.“ Für ihn spielt auch das Thema „Mental Load“ eine Rolle: die unsichtbaren To-dos im Alltag, die meist von Müttern übernommen werden: Welche Arzttermine stehen an? Welche Kleidergröße hat das Kind gerade? „Bei der Entscheidung für die Elternzeit ging es mir auch darum, zu sehen, was anfällt, was der andere leistet. In der Elternzeit habe ich gemerkt, wie viel da vorher im Hintergrund lief“, sagt der Softwareingenieur. „Es ist viel Care-Arbeit.“ Aktuell neigt sich die Elternzeit des Softwareingenieurs dem Ende zu. Dann kehrt er in seinen Beruf zurück – in Teilzeit. Das habe er bewusst so entschieden, um weiterhin eine gleichberechtigte Kinderbetreuung zu ermöglichen: „Teilzeit wird auch toll, man hat von beiden Seiten etwas – Job und Kinder.“ 

Häufig enden die Beratungen in der Arbeitnehmerkammer für Eltern über die vielen rechtlichen Möglichkeiten letztlich dann doch bei der Wahl der Elternzeitvariante von zwölf Monaten (Mütter) und zwei Monaten (Väter). Der finanzielle Aspekt ist für viele Familien noch immer ein entscheidender Faktor für die klassische Aufteilung, sagt Dirk Riekens, Rechtsberater der Arbeitnehmerkammer Bremen. „Der Hauptgrund sind die Rahmenbedingungen beim Elterngeld“, sagt der Experte. „Väter möchten mehr teilnehmen, aber oft geht es um die ersten Monate nach der Geburt.“ Dass Männer dann nicht gleichzeitig mit den Müttern eine längere Elternzeit nehmen, habe vor allem einen Grund: zwei gekürzte Einkommen könnten die wenigsten Familien überbrücken.

Höhe des Elterngelds
Mütter und Väter, die sich in Elternzeit befinden, erhalten in dieser Zeit 65 Prozent ihres Einkommens, höchstens jedoch 1.800 Euro. Haben sie kein Einkommen, bekommen sie das Basiselterngeld von 300 Euro.

Viele Väter empfinden die Elternzeit als große Bereicherung, sagt Experte Thomas Schwarzer: „Männer bauen so eine andere Beziehung zu ihrem Kind auf.“ Doch zahlenmäßig liegt das Land Bremen mit jedem dritten Vater in Elternzeit im Vergleich mit anderen Bundesländern auf dem vorletzten Platz; in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin beteiligt sich mittlerweile fast jeder zweite Vater mit zwei Elterngeld-Monaten. 

Für Thomas Schwarzer spielen dabei viele Aspekte eine Rolle. „Zum einen gibt es im Land Bremen viel Industrie und einen schwach entwickelten Frauenarbeitsmarkt“, sagt er. Also verdienen hier in vielen Familien die Männer mehr. Auch eine eingespielte Arbeitskultur beeinflusse die Entscheidung in den Familien: „Viele Männer sind gerade hier vollzeitorientiert“, sagt Thomas Schwarzer. „Die Elternzeit ist ein Einschnitt.“ Viele Väter würden dann nach der Geburt eher mehr als vorher arbeiten, um die finanziellen Einbußen aufzufangen – etwa über Überstunden und Wochenendarbeit.

Philip Hellerbach, Lehrer, 9 Monate Elternzeit:
„Eine gleichberechtigte Aufteilung der Betreuung ist für mich selbstverständlich – und so war auch schnell klar, dass ich einen Großteil der Elternzeit übernehme.“

Auch Philip Hellerbach und seine Frau machten sich Gedanken darüber, wie für die Mutter ein früher Einstieg nach der Geburt ermöglicht werden konnte. So nahm der Oberschullehrer aus Bremen insgesamt neun Monate Elternzeit, während seine Partnerin nach einem halben Jahr in den Job zurückkehrte. Eine gleichberechtigte Aufteilung der Betreuung ist für den 34-Jährigen selbstverständlich – und so war für ihn auch schnell klar, dass er einen Großteil der Elternzeit übernimmt. „Ich hatte einfach auch Lust darauf“, sagt er. „Mein Wunsch war eine gute Bindung zum Kind. Und ich wollte nicht nur abends zum Ins-Bett-Bringen da sein.“ Gerade ist seine neunmonatige Elternzeit zu Ende gegangen: „Ich bin schon ein bisschen wehmütig, aber ich freue mich auch auf den Job“, sagt er. Auf die gemeinsame Zeit mit seinem einjährigen Nachwuchs blickt der Lehrer aus Bremen gerne zurück: „Die Elternzeit war toll, ich habe jetzt eine sehr enge Bindung zu meiner Tochter. Die intensive Zeit wird uns weiter begleiten.“

Mehr Geld und mehr Zeit!

Kommentar von Thomas  Schwarzer,  Referent für  kommunale  Sozialpolitik der Arbeitnehmerkammer Bremen

Mit dem Ziel der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wurde 2007 das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz eingeführt. Heute sind Reformen mehr als überfällig: Seit 16 Jahren wurde weder das Basiselterngeld von 300 Euro noch der Höchstbetrag von 1.800 Euro angepasst. Dabei gab es in den Jahren bis 2020 Preissteigerungen von rund 20 Prozent und in den vergangenen Krisenjahren weitere Verteuerungen bei Lebensmitteln und Energie.

Seit 2015 gibt es mit dem Elterngeld Plus zwar attraktivere Bedingungen, wenn Mütter und Väter in Teilzeit arbeiten. Auf der Strecke bleibt jedoch eine Weiterentwicklung der Partnermonate. Die Bremer Politik muss sich auf Bundesebene für eine echte geschlechtergerechte, partnerschaftliche Reform der Elternzeit einsetzen. Die Partnermonate von derzeit zwei sollten auf mindestens vier (besser auf acht) ausgeweitet werden. Auch Väter wären somit allein zuständig für Kinder und Haushalt. Studien zeigen, dass Väter dann auch später mehr Verantwortung übernehmen und Mütter bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. 

Als Mitglied können Sie sich bei arbeitsrechtlichen Fragen zu Elterngeld und Elternzeit kostenlos beraten lassen.