Markus Laukötter steht auf der Straße und schaut in die Kamera.

Gut geführt

Markus Laukötter kommt gut mit seinem Chef klar

Ein kollegiales Arbeitsklima, respektvoller Umgang im Team und ein vertrauens­volles ­Miteinander – all das klingt nach einer guten Atmosphäre im Unternehmen. Und die ­wiederum hängt in hohem Maß von den Führungs­qualitäten der Vorgesetzten ab.

Text: Suse Lübker
Fotos: Jonas Ginter

1. Juli 2022

„Wir sind Vorbild. An unserem ­Ver­halten orientieren sich unsere Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter.“ ­Dieser Auszug aus dem Leitfaden für die ­Führungskräfte der Bremer Justiz bringt es auf den Punkt: Vorgesetzte leben das vor, was sie von Mitarbeitenden erwarten. Ihr Verhalten hat einen großen Einfluss auf die Beschäftigten.

Was aber macht eine gute ­Führungskraft aus? Der autoritäre Chef, der seine Regeln durchzieht und ­seinem Team wenig Eigeninitiative lässt, scheint ausgedient zu haben. Gefragt sind Vorgesetzte, die zwar die Richtung vorgeben, den Weg zum (Unternehmens-)Ziel jedoch gemeinsam mit dem Team gehen. Sie bieten den Beschäftigten genügend Raum, ihre Aufgaben zu gestalten und unterstützen und stärken sie, wo es nötig ist. „Mit­arbeitende profitieren von der Möglichkeit, Gestaltungsspielräume zu nutzen und Aufgaben selbstständig zu planen und auszuführen“, erklärt Iris Stahlke, Arbeitspsychologin an der Universität Bremen. Je mehr Beschäftigte ­diesen Freiraum nutzen können, desto motivierter und leistungsfähiger sind sie – diese Erfahrungen hat Stahlke auch in von ihr durchgeführten Weiter­bildungen für Betriebsräte aus den verschiedensten Branchen berichtet bekommen.

„Meine Chefin ist locker und lässt mir viel Freiraum. ­Allerdings ­kommuniziert sie schlecht, etwa bei der Weitergabe von Infos zu ­Gesetzesänderungen. Da wir in Schichten arbeiten, erschwert das die Arbeit. Und ich könnte mehr ­leisten, wenn ich mehr in ­Entscheidungen eingebunden würde.“
Angestellte Apothekerin

Markus Laukötter erlebt genau das: Der Ingenieur hat in den vergangenen ­Jahren einen immer größeren Verant­wortungsspielraum bekommen, viele Entscheidungen trifft er eigenverant­wortlich, immer mit der Rücken­deckung seines Vorgesetzten: „Das ist ein Geben und Nehmen“, erklärt der 52-Jährige: „Mein Chef weiß, dass er sich auf meine Entscheidungen ver­lassen kann und mir ist klar, dass ich seine Erwartungen erfüllen muss. Ich fühle mich gefordert, aber nicht überfordert.“ Und wenn mal etwas nicht so gut läuft? „Wir sind ständig im Austausch. Wenn es Probleme gibt, ­spreche ich ihn direkt an und bitte ihn um Unterstützung.“ Ein offenes, vertrauensvolles Gespräch müsse möglich sein, findet Laukötter, das sei die Basis für ein gutes Verhältnis von Beschäftigten und Vorgesetzten.

Anerkennung und Wertschätzung fehlt

In vielen Betrieben sieht das allerdings ganz anders aus: Umfragen zufolge fehlt es Beschäftigten oft an Wertschätzung und Unterstützung seitens der Vorgesetzten. Besonders in stressigen ­Phasen und Zeiten hoher Arbeitsauslastung braucht es Führungskräfte, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermutigen und stärken und die dafür sorgen, die Last auf mehrere Schultern zu verteilen. Tobias Hartmann (Name von der Redaktion geändert) ar­­beitet als Monteur für einen kommunalen Netz­betreiber, sein Team ist zuständig für die Wartung und Instanthaltung der öffentlichen Netze. Seine Arbeit sei inhaltlich spannend, sagt er, er kann sich gut mit den Inhalten identifizieren, Kundenzufriedenheit stehe für ihn an erster Stelle. „Wir sind die, die das Netz am Leben halten“, erklärt er stolz.

„Wenn ich in fachlichen ­Dingen ­Fragen habe, erklärt meine ­Chefin mir das verständlich und auf ­Augenhöhe, das finde ich super. Ansonsten sind wir oft nicht in ­Abteilungsdinge eingebunden und bei Personalengpässen steht meine Chefin nicht hinter uns – wir müssen dann regelrecht um Ersatz betteln.“
Pflegekraft im Krankenhaus

Seit einiger Zeit allerdings hat er ein ungutes Gefühl. Der Grund: Durch die Digitalisierung nimmt die Arbeit zu, gleich­zeitig werden Stellen gekürzt und nicht neu besetzt. Viele Aufträge ­werden an günstigere Fremdfirmen abgegeben. „Als Arbeiter draußen im Netz bin ich immer größerem Druck ausgesetzt, muss die Fehler der fremden Monteure korrigieren“, so Hartmann, „außerdem sind viele Materialien schlechter verarbeitet und fehler­anfälliger“. Hinzu ­kommen immer mehr Anforderungen, die eigentlich nicht in seinen Aufgabenbereich fallen, Teamsitzungen vor dem PC zum Beispiel oder die Steuerung von Apps. All das macht Stress und Druck. Tobias Hartmann versteht sich gut mit seinem direkten Vorgesetzten, aber er wünscht sich mehr Entlastung „von ganz oben“, von der Vorstands­ebene. „Wir sagen, dass wir mehr Leute brauchen und bekommen die Info, dass nicht mehr eingestellt werden ­können.“ Er fühlt sich ignoriert, selbst dem Betriebsrat seien die Hände ge­­bunden. Zum ersten Mal denkt ­Hartmann ­da­­rüber nach, sich nach einem anderen Job umzuschauen.

„Mit meinem Chef kann ich jedes Thema ­besprechen, ­Fehler ­werden sachlich ­aufgearbeitet und gute Leistungen und ­Ergebnisse gelobt. Allerdings wurde mein Wunsch nach mehr Gehalt für mich nicht ­nachvollziehbar abgelehnt. Ich denke nun, er schätzt nicht, was ich alles leiste. Ich finde, meine ­Leistungen sollten sich über mein Gehalt ­abbilden. Das ist ‚hängen‘ ­geblieben.“
Angestellte Führungskraft

Kein Einzelfall, in vielen Branchen nimmt die Arbeitslast und der Zeitdruck aufgrund der Digitalisierung zu. Umso wichtiger ist es, dass Vorgesetzte ihre Beschäftigten unterstützen, dass sie offen kommunizieren und ­helfen, wenn die Arbeits­belastung steigt. Dazu gehören auch regel­mäßige Mitarbeitergespräche, in denen Themen angesprochen werden, für die während der Arbeitszeit wenig Raum bleibt. Auch das sollte ein guter Chef oder eine gute Chefin im Auge ­be­­halten.

Die richtigen Personen für die ­richtigen Positionen

Wie also wird man zu einem guten Chef oder zu einer guten Chefin? Teamfähigkeit, teamorientiertes Denken, Umgang mit Menschen – all das sind Qualifikationen, die sich lernen lassen, schließlich wird kaum jemandem die Führungsrolle in die Wiege gelegt. Gerade in den vergangenen Jahrzehnten ­wurden meist Menschen zu Vorgesetzten, die fachlich besonders fit sind, ohne dass darauf geachtet wurde, wie gut sie mit Menschen umgehen können.

„Mein Chef lässt mir bei ­meiner Arbeit viel Freiraum, führt mich aber auch gut entsprechend ­meiner ­Stärken. Er spricht mit mir auf Augenhöhe und kommuniziert alle wichtigen Infos – so kann ich ­Situationen gut einschätzen. Das hilft mir bei meiner Planung.“
Vorstandsassistenz

Laut einer Umfrage der Stellenbörse Stepstone unter knapp 2.000 Führungs­kräften gaben nur 15 Prozent der Befragten an, dass sie auf ihre Rolle vorbereitet worden sind. Seit einigen Jahren legen Personalverantwortliche deutlich mehr Wert darauf, ob jemand überhaupt für die Position geeignet ist und ob der- oder diejenige Interesse daran hat, eine Führungsrolle zu übernehmen. Inzwischen gibt es außerdem einige Alternativen zu der klassisch-­autoritären Chef-als-­­Einzel­kämpfer-Rolle. So zum Beispiel „­Shared Leader­ship“, wo sich mehrere Personen im Team Führungsaufgaben teilen und Entscheidungen gemeinsam treffen. Inzwischen existieren sogar Betriebe, die komplett ohne Führungskräfte auskommen. Modelle, die dann gut funktio­nieren, wenn Verant­wortung und die Möglichkeit, Einfluss aus­zuüben, auf viele Schultern verteilt sind.