Mehr Berufstätige für lebenslanges Lernen begeistern, so steht es im Wissenschaftsplan 2025 des Landes Bremen. Doch wie durchlässig ist das Bildungssystem? Welche Möglichkeiten gibt es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem Lehrabschluss an die Hochschule zu gehen?
28. Dezember 2021
Text: Insa Lohmann
Foto: Kay Michalak
Berufliche und hochschulische Bildung stehen sich in Deutschland traditionell getrennt gegenüber, nur wenigen Menschen mit einer abgeschlossenen Lehre gelingt der Übergang an die Hochschule – oder umgekehrt. Dabei verlangt die Arbeitswelt nach höher (aus-)gebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. „Im Hinblick auf den Fachkräftemangel, aber auch auf Chancengleichheit wird das Thema Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung immer wichtiger“, sagt Franziska Raab, Referentin für Bildungs- und Hochschulpolitik bei der Arbeitnehmerkammer Bremen. Doch wie gelingt der Sprung vom Beruf an die Hochschule und welche Erfahrungen haben Menschen gemacht, die diesen Weg gegangen sind?
"Irgendwann hatte ich den Wunsch nach mehr Verantwortung“, erinnert sich Pascal Krebs. Der 31-Jährige aus Bremerhaven absolvierte nach der Realschule eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer, doch nach seiner Lehre wollte er mehr. Es zog den gebürtigen Schwarzwälder nach Darmstadt zu einem internationalen Konzern, wo er Einblicke in die Herstellung und Vermarktung von Systemen für die Lebensmittelbranche bekam. Seine Leidenschaft war geweckt, gleichzeitig kam der Wunsch nach einer höheren Qualifizierung auf. „Das bedeutet, auch bessere Jobs zu bekommen“, ist Krebs überzeugt. Er suchte und wurde auf den Industriemeister Lebensmittel aufmerksam, der in der Hansestadt vom Weiterbildungszentrum IQ Bremen angeboten wird. Ein Dozent aus der Qualifizierung zum Lebensmittel-Meister berichtete ihm schließlich vom Studiengang Lebensmitteltechnologie/Lebensmittelwirtschaft an der Hochschule Bremerhaven. Der 31-Jährige war sofort Feuer und Flamme: „Ich wusste gleich, dass ich das machen möchte. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch, der immer mehr wissen wollte.“ Und es gab noch einen weiteren Aspekt: „Ich wollte einen Abschluss, der international anerkannt ist.“
„Das Studieren ohne Abitur spielt bei der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung eine große Rolle.“
Franziska Raab, Referentin für Bildungs- und Hochschulpolitik
Der Wunsch nach Neuorientierung und besseren Aufstiegschancen seien häufige Gründe, warum Berufstätige ihre Weiterbildungsberatung aufsuchen, berichtet Hella Grapenthin von der Arbeitnehmerkammer Bremen. „Ein Studium ist für viele ein Weg, sich besser aufzustellen.“ Auch Pascal Krebs studiert nun seit vier Jahren in Bremerhaven in Vollzeit Lebensmitteltechnologie, hat bereits seinen Bachelor abgeschlossen und ist in den letzten Zügen seines Masters. Als Zugangsvoraussetzung konnte sich der Student die bisherige Berufserfahrung anrechnen lassen, einen Meister hätte er dafür nicht benötigt. Und im Werdegang des 31-Jährigen findet sich eine weitere Besonderheit: Krebs hat kein Abitur. „Das Studieren ohne Abitur spielt bei der Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung eine große Rolle“, sagt Bildungsreferentin Franziska Raab. Der Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte ohne Abitur wurde bereits 2009 durch die Kultusministerkonferenz erleichtert. Dennoch liegt der Anteil der Studierenden ohne Hochschulzugangsberechtigung auch mehr als zehn Jahre danach noch immer im einstelligen Bereich.
Im Wissenschaftsplan 2025 wurde für das Land Bremen eine weitere Verbesserung der Durchlässigkeit angekündigt, die nun aufgrund von Finanzierungsproblemen infolge der Corona-Krise auf der Kippe steht. Das ursprüngliche Ziel: Die wissenschaftliche Bildung in den Hochschulalltag zu etablieren und mehr Berufstätige für lebenslanges Lernen zu begeistern. Dafür sollten unter anderem bisherige Anerkennungsverfahren geprüft und Unterstützungsangebote geschaffen werden. Die geplante Erhöhung der Grundfinanzierung von 350 auf 540 Millionen bis 2025 wird aufgrund der Pandemie nun nicht erfolgen. Ein Rückschlag für viele, die sich neben ihrem Beruf für eine akademische Weiterbildung interessieren: Denn bislang ist vor allem das berufsbegleitende Studium noch immer eine Randerscheinung an öffentlichen Hochschulen. „Um Chancengleichheit zu gewährleisten, sollten öffentliche Hochschulen ihren Bildungsauftrag des lebenslangen Lernens erfüllen und dies nicht den privaten Hochschulen überlassen“, sagt Kammer-Expertin Franziska Raab.
„Die Finanzierung einer berufsbegleitenden Maßnahme ist für viele nicht machbar.“
Weiterbildungsberaterin Hella Grapenthin
Im Zuge des zwischen 2011 und 2020 durchgeführten Bund-Länder-Wettbewerbs „Aufstieg durch Bildung“ wurden zwar berufsbegleitende Bachelor- und Masterstudiengänge erprobt, die bis zum Auslaufen der Förderung kostenlos angeboten wurden. Doch weiterbildende Bachelorangebote sind im Bremer Landeshochschulgesetz nicht klar vorgesehen. Da in der Hansestadt auf das Erststudium kein Entgelt erhoben werden darf, entsteht eine Finanzierungslücke an den öffentlichen Hochschulen. Besonders im Bachelorbereich sind es in Bremen daher überwiegend private Hochschulen, die berufsbegleitende Studiengänge anbieten.
Anders sieht es bei den kostenpflichtigen Masterstudiengängen aus: An der Universität Bremen haben Berufstätige an der Akademie für Weiterbildung die Wahl zwischen drei berufsbegleitenden Weiterbildungsmastern. Auch die Hochschule Bremen bietet fünf berufsbegleitende Master an. Zudem wurde dort die HSB Professional School ins Leben gerufen, die Seminare und Zertifikatsprogramme für Berufserfahrene anbietet, die sich in einem speziellen Fachgebiet weiterbilden möchten, ohne ein komplettes Studium zu absolvieren. Doch es gibt eine große Hürde: „Die Finanzierung einer berufsbegleitenden Maßnahme ist für viele nicht machbar“, berichtet Weiterbildungsberaterin Hella Grapenthin. Immerhin kostet ein berufsbegleitender Master zwischen 10.000 und 20.000 Euro. Hochschulstudent Pascal Krebs bekommt als finanzielle Unterstützung elternunabhängiges BAföG, doch für Studierende, die nicht Vollzeit studieren, gibt es wenig staatliche Finanzierungsmöglichkeiten. Grapenthin rät Berufstätigen, die sich für akademische Weiterbildung interessieren daher, sich vorab zu den Möglichkeiten und Studienformen beraten zu lassen.
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