Ein Handwerker auf einer Baustelle

Warum wir ein Tariftreuegesetz brauchen

Interview mit Peer Rosenthal zum geplanten Bundestariftreuegesetz

Weil er selbst viele Aufträge vergibt, hat der Staat auf die Wirtschaft großen Einfluss. Er muss ihn nutzen, um für bessere Arbeitsbedingungen bei den Beschäftigten zu sorgen.

Bei „Tariftreue“ denken viele Menschen an ihren Mobilfunktarif. Was steht im geplanten Bundestariftreuegesetz?

Peer Rosenthal: Es geht darum, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die für die Abarbeitung dieser Aufträge nach Tarif bezahlen. Dann profitieren auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Tarifbeschäftigte bekommen im Durchschnitt zehn Prozent mehr Lohn und müssen eine Stunde weniger in der Woche arbeiten. Auch der Gender Pay Gap — der Unterschied zwischen dem Verdienst von Frauen und Männern — ist in Betrieben mit Tarifvertrag deutlich kleiner. 

Welche Branchen würden von einem Bundestariftreuegesetz profitieren?

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass alle Branchen einbezogen werden. Natürlich ist es so, dass die Baubranche bei öffentlichen Aufträgen eine große Rolle spielt, es geht aber insbesondere auch um Dienstleistungen oder Logistik. Der Staat hat eine große Marktmacht: Insgesamt reden wir über ein Auftragsvolumen von fast 40 Milliarden Euro.

"Das Gesetz schafft Wettbewerbsgleichheit für alle Betriebe, die schon heute nach Tarif bezahlen"


Peer Rosenthal ist Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremen.

Porträt des Hauptgeschäftsführers der Arbeitnehmerkammer, Peer Rosenthal

Kritiker sagen, dass das Gesetz mehr Bürokratie schafft und die ohnehin belasteten Unternehmen noch mehr belastet. Stimmt das?

Nein! Es schafft Wettbewerbsgleichheit für die Unternehmen, die schon heute nach Tarif bezahlen. Für sie ist damit auch kein größerer Aufwand verbunden als in der Vergangenheit. Nur Unternehmen, die keinen Tarifvertrag anwenden, müssen dann eben Tariflöhne bezahlen, wenn sie den Zuschlag für öffentliche Aufträge bekommen wollen.

Welche konkreten Forderungen hat die Arbeitnehmerkammer zum Bundestariftreuegesetz?

Es ist gut, dass die Bundesregierung das Gesetz bereits zu Beginn der Wahlperiode anpackt. Nun gilt es, dass es schnellstmöglich verabschiedet wird. Vorher sollten aber Schwachstellen ausgebessert werden, wie in unserer Stellungnahme angemerkt. Insbesondere ist es in keiner Weise nachvollziehbar, dass es eine Ausnahme von Aufträgen für die Bundeswehr geben soll. Wir plädieren entsprechend dafür, dass der Grundsatz, dass nach Tarif bezahlt werden muss, möglichst bei jedem öffentlichen Auftrag gilt. Der Schwellenwert bei der Auftragsvergabe sollte deshalb so niedrig wie möglich angesetzt werden. Vorgesehen sind 50.000 Euro, wir fordern 10.000 Euro. In Bremen gilt das entsprechende Gesetz für alle öffentlichen Bauaufträge ab 5.000 Euro, bei Dienstleistungsaufträgen sogar ab 3.000 Euro.

Die gemeinsame Stellungnahme der Arbeitnehmerkammer Bremen und der Arbeitskammer Saarland zum Referentenentwurf zum Tariftreuegesetz kann man hier nachlesen (PDF zum Download).

 

25.07.2025 (aktualisiert)
Fragen: Jan Zier
Foto: iStock