Die steigenden Energiekosten bringen auch Unternehmen in die Bredouille. Doch wie können Betriebe Energie reduzieren? Diese Bremer Unternehmen machen es vor.
Im Bild: Die Faultürme, aus deren Klärgas Strom gewonnen wird, der in die elektrobetriebene Flotte von Hansewasser fließt.
Text: Insa Lohmann
1. November 2022
Foto: Kay Michalak
2.300 Kilometer lang ist das Kanalnetz, das das Bremer Abwasserunternehmen Hansewasser betreibt. Auf zwei Kläranlagen werden jedes Jahr rund 50 Millionen Kubikmeter Abwasser aus Bremen und der Umgebung gereinigt – ein sehr energieintensiver Prozess. 2010 setzte sich der Kommunalbetrieb daher ein ambitioniertes Ziel: komplette CO2-Neutralität. Im Rahmen des Projektes „kliEN“ wählte der Betrieb sogenannte Klimabotschafter aus den eigenen Reihen, denn das Thema sollte nicht nur aus technischer Sicht betrachtet werden, sondern von Mitarbeitenden aus allen Abteilungen.
„Klimaschutz und Energiesparen geht uns alle an, nicht nur die Experten, die mit besserer Technik mehr Energieeffizienz verwirklichen können“, sagt Oliver Ladeur, Leiter Unternehmenskommunikation und Nachhaltigkeit. In Workshops wurden Ideen gesammelt: „Es waren die Mitarbeitenden, die Energieeinsparpotenziale ausfindig gemacht und Verbesserungsvorschläge gemacht haben.“ Mit Erfolg: Die Kläranlage in Seehausen reinigt die Abwässer inzwischen klimaneutral. Aus dem Klärgas wird außerdem Strom gewonnen, der in die elektrobetriebene Flotte des Unternehmens fließt.
„Klimaschutz und Energiesparen geht uns alle an, nicht nur die Experten, die mit besserer Technik mehr Energieeffizienz verwirklichen können.“
Oliver Ladeur, Leiter Unternehmenskommunikation und Nachhaltigkeit bei Hansewasser
Für Unternehmen werde das Thema Energiesparen immer wichtiger: „Viele schauen mit Sorge auf den Winter“, sagt Hannah Simon von der gemeinnützigen Klimaschutzagentur Energiekonsens. Inflation, Energiekrise – spätestens jetzt sei der richtige Zeitpunkt, sich als Betrieb damit auseinanderzusetzen, sagt die Expertin. „Bei Unternehmen ist der Hebel Energie einzusparen, deutlich höher.“ Neben Privatpersonen, Kitas und Schulen beraten die Energieexpertinnen und -experten aus Bremen auch Unternehmen und helfen ihnen dabei, die richtigen Stellschrauben in puncto erneuerbare Energien und Energiesparen zu finden.
„Je nach Größe und Branche gibt es sehr unterschiedliche Ansätze, um Energie zu reduzieren“, sagt Hannah Simon. Doch wo fängt man an? Die Klimaschutzagentur steht Betrieben im Land Bremen bei dieser Frage beratend zur Seite: Unternehmen haben beispielsweise die Möglichkeit, eine kostenlose Einstiegsberatung in Anspruch zu nehmen, bei der Energiexpertinnen und -experten sich den Betrieb im Hinblick auf Einsparpotenziale anschauen. Zudem können Unternehmen sich ihren CO2-Verbrauch bilanzieren lassen. Für Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitenden gibt es spezielle Beratungsangebote. „Da lohnt es sich nicht, nur einen Bereich anzuschauen“, sagt Hannah Simon.
Doch was kann man als Unternehmen konkret tun? Wer über ein eigenes Gebäude verfüge, könne häufig Bereiche wie Dämmung oder Heizung optimieren – auch eine Solaranlage für das Dach sei für viele Unternehmen eine lohnenswerte Option, sagt die Expertin von Energiekonsens. Und auch für Betriebe ohne Technik oder eigenes Gebäude gebe es klassische Energiespartipps. „Die Raumtemperatur um ein Grad zu senken, spart bereits sechs Prozent Energie ein“, sagt Hannah Simon. Für Büros hat sie ein paar leicht umzusetzende Ansätze: Kippschalter für technische Geräte Stoßlüften statt Kippstellung, effiziente Technik und Geräte sowie die Nutzung von LED-Lampen seien effiziente Maßnahmen, um den Energieverbrauch zu verringern. Grundsätzlich sagt sie: „Energieintensive Unternehmen haben mehr Handlungsspielraum, aber auch mehr Verantwortung.“
„Wir sind Teil der Konsumbranche, das bringt Verantwortung mit sich.“
Anja Wagner, stellvertretende Hoteldirektorin im Bremerhavener Atlantic Hotel Sail City
Das bestätigt Anja Wagner, die als stellvertretende Hoteldirektorin im Bremerhavener Atlantic Hotel Sail City arbeitet und sich schon seit einigen Jahren mit dem Thema Energiesparen beschäftigt. „Wir sind Teil der Konsumbranche, das bringt Verantwortung mit sich“, sagt sie. Um ein Gefühl für den eigenen Verbrauch zu bekommen, ließ das Unternehmen zunächst eine CO2-Bilanz erstellen und holte sich Beratung von den Energiekonsens-Mitarbeitenden. „Wir wollten wissen, wo Emissionen entstehen, wo sich vermeidbare Verbräuche verstecken und wie wir gegensteuern können“, erzählt Anja Wagner. Der nächste Schritt war die Umsetzung. Doch die richtigen Maßnahmen zu finden, sei nicht immer einfach: „Unsere Gäste wollen sich wohlfühlen und erwarten Komfort bei uns“, sagt die stellvertretende Hoteldirektorin. Gemeinsam mit ihrem Team müsse sie immer wieder schauen, wo die Gäste bereit seien, mitzugehen.
„Oftmals sind es die kleinen Dinge“, weiß sie aus Erfahrung. So hat das Bremerhavener Vier-Sterne-Hotel beispielsweise Duschköpfe mit Sparfunktion installiert, die den Verbrauch von 14 Liter auf neun Liter pro Minute senken – in einem Hotel mit 120 Zimmern eine effektive Maßnahme. Zudem stellte das Hotel die komplette Beleuchtung auf LED-Technik um, installierte Bewegungsmelder und sorgte dafür, dass die Klimaanlage erst angestellt wird, wenn die Gäste einchecken – und nicht 24 Stunden durchläuft. „Energetisch ist das ein großer Hebel, aber wir greifen damit in den Gästekomfort ein“, sagt Anja Wagner. Immer wieder suchen sie und ihre Mitarbeitenden deshalb das Gespräch mit den Gästen, erklären, warum sie etwas tun. Mit Erfolg: Durch die Energiesparmaßnahmen konnte das Hotel in den Havenwelten den CO2-Ausstoß innerhalb von sechs Jahren um knapp 40 Prozent reduzieren.
„Das Potenzial für Unternehmen, Energie einzusparen ist groß. Vor allem bei den Betrieben, die noch nicht tätig geworden sind.“
Hannah Simon von der Bremer Klimaschutzagentur Energiekonsens
„Das Potenzial für Unternehmen, Energie einzusparen ist groß“, verdeutlicht Hannah Simon von der Bremer Klimaschutzagentur Energiekonsens. „Vor allem bei den Betrieben, die noch nicht tätig geworden sind.“ Spätestens jetzt sollten Unternehmen also aktiv werden, denn auch die Bundesregierung nimmt sie in die Pflicht: Im Sommer wurden zwei Verordnungen beschlossen, die zur Sicherung der Energieversorgung beitragen sollen. Eine Verordnung betrifft mittelfristige Maßnahmen. Darin heißt es: „Umsetzung wirtschaftlicher Energieeffizienzmaßnahmen in Unternehmen.“ Wer Ressourcen schont, spart Kosten –
ein Faktor, der vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen ein großer Wettbewerbsvorteil sein kann.
„Das war bei uns der größte Hebel“, sagt Timo Kunk und zeigt an die Decke seines Ladengeschäfts. 48 große Leuchten sorgen bei dem Optiker in der Bremer Innenstadt dafür, dass die Kundinnen und Kunden die Ware sehen können. Im vergangenen Jahr hat Kunk die komplette Beleuchtung auf LED umstellen lassen – rund 7.000 Kilowattstunden ließen sich damit pro Jahr einsparen. „Gerade in der jetzigen Situation ein glücklicher Fall“, sagt Kunk, der gemeinsam mit seinem Vater und seiner Schwester das Optikgeschäft leitet und damit auf die steigenden Energiekosten anspielt. Für Timo Kunk und seine Familie ist das Thema Energiesparen deshalb zu einem stetigen Begleiter im Alltag geworden. Dazu gehört eine regelmäßige Bestandsaufnahme der Verbräuche. „Ich finde es wichtig, etwas Messbares zu haben“, sagt Kunk. „Das schärft das Bewusstsein im Unternehmen.“ Die erste Bilanz ergab: Die Hälfte der CO2-Emissionen entfällt auf den Bereich Energie, genauer gesagt Strom. Deshalb hat der Optiker schließlich nicht nur auf LED, sondern auch auf Ökostrom umgestellt.