„Die großen Einsparpotenziale liegen bei Menschen mit höherem Einkommen“

Dr. Katja Schumacher zu ihrem Vortrag „Klimawandel und Verteilung: Wer braucht welche Unterstützung?“

Interview: Anna Zacharias
21. November 2022

Katja Schumacher ist Volkswirtin und forscht am Öko-Institut in Berlin unter anderem zu Verteilungseffekten von Energie- und Klimapolitik. 

Das Bildungsbürgertum hat die Notwendigkeit des Klimaschutzes erkannt und spart fleißig CO2 ein, während die breite Masse weiter nach Mallorca fliegt, Fleisch isst und auf schnelle Autos abfährt. Was ist dran an diesem Klischee?

Katja Schumacher: Das ist ein Klischee, das sich meinem Wissen nach so nicht bestätigen lässt. Tatsächlich würde ich es nicht am Bildungsstand festmachen, wer sich wie verhält. Vielmehr stellen wir fest, dass die Emissionen viel mit dem Einkommen zu tun haben. Wer mehr verdient emittiert mehr, egal ob fürs Heizen, für Kraftstoffe oder auch Strom. Denn Menschen mit höherem Einkommen wohnen auf größeren Wohnflächen, fahren mehr Auto und haben auch mehr elektrische Geräte. Selbst wenn sie mehr einsparen, emittieren sie immer noch mehr. Und übrigens: Die breite Masse fliegt tatsächlich nicht, mehr als 50 Prozent der Bevölkerung fliegen nie. Dafür fliegen andere umso häufiger, aber das muss man sich erst einmal leisten können…

Wie unterschiedlich wirken sich die derzeitigen Maßnahmen zum Klimaschutz auf die verschiedenen Gesellschaftsschichten aus? 

Auch hier gilt: Wer mehr emittiert, kann auch mehr einsparen. Und darauf zielen viele Maßnahmen ab. Förderprogramme, zum Beispiel im Bereich der Energieeffizienz von Gebäuden, geben durch finanzielle Unterstützung Anreize zur Sanierung. Diese Programme sind natürlich nur für Gebäudeeigentümer*innen relevant. Andere Maßnahmen, wie der CO2-Preis, geben ein Preissignal. Sie verteuern fossile Brennstoffe, um eine Lenkungswirkung zu entfalten. Bei beiden Maßnahmen haben Mieter*innen wenig Handlungsspielraum, da sie keinen Einfluss auf den Zustand ihres Gebäudes oder die Heizung in ihrem Gebäude haben. Beim CO2-Preis werden die Kosten allerdings auf Vermieter*innen und Mieter*innen verteilt, um die richtigen Anreize zu setzen. Darüber hinaus werden die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung zurückverteilt, um einen sozialen Ausgleich zu schaffen und die Akzeptanz zu erhöhen. Im Verkehrsbereich sehen wir derzeit viele Klimaschutzmaßnahmen, die nicht sozial gerecht sind. Hier gibt es noch einiges zu tun.

Wie kann die Belastung an verschiedenen Punkten gerecht verteilt werden?  

Wichtig ist, dass alle am Klimaschutz mitwirken können. Dass es also Maßnahmen zum Energiesparen und zur Emissionsminderung gibt, die gezielt auch für Haushalte mit wenig Einkommen zur Verfügung stehen. Denn jeder eingesparte Euro für Energie ist für Haushalte mit wenig Einkommen besonders viel wert. Darüber hinaus ist es wichtig, dass für Maßnahmen, die in der Breite wirken und gegebenenfalls höhere Kosten für beispielsweise Energie, Miete oder Lebensmittel mit sich bringen, auch ein sozialer Ausgleich geschaffen wird, indem Haushalte mit wenig Einkommen unterstützt werden. Und wie gesagt, die großen Einsparpotenziale liegen bei Menschen mit höherem Einkommen. Gerecht ist, wenn sie auch mehr zum Klimaschutz beitragen.