Außenansicht des EU-Parlaments

Was hat Bremen von der EU?

Am 9. Juni ist Europawahl. Das Land Bremen profitiert stark von der EU – seine Beschäftigten aber auch. Eine Übersicht

Text: Jan Zier
Foto: iStock
27. Mai 2024

Wieviel Geld fließt aus der EU nach Bremen?

Ganz schön viel! In der EU gibt es verschiedene Fördertöpfe, die Gelder werden in der Regel über einen Zeitraum von sechs Jahren vergeben. Zwischen 2021 und 2027 bekommt Bremen über 95 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und rund 60 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF+)

Zum Vergleich: Zwischen 2014 und 2020 bekam Bremen rund 103 Millionen Euro EFRE-Mittel. Dieses Geld soll dazu dienen, dass hier Arbeitsplätze entstehen und die Wettbewerbsfähigkeit steigt – also die Wirtschaft wächst. Der ESF hingegen konzentriert sich auf die Verbesserung der Beschäftigungs- und Bildungschancen. Hier bekommt Bremen aktuell mehr Geld als früher – zwischen 2014 und 2020 waren es 48,5 Millionen Euro.

Daneben gibt es noch andere Fördertöpfe, beispielsweise für die ländliche Entwicklung: Niedersachsen, Hamburg und Bremen bekommen hier im laufenden Zeitraum knapp 1,2 Milliarden Euro. Auch für die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie gibt es Geld aus Brüssel – Bremen bekommt 78,5 Millionen Euro aus diesem Programm. Außerdem nutzen jedes Jahr über 3.000 junge Menschen im Land Bremen die Chance, dank des Bildungsprogramms Erasmus ins EU-Ausland zu gehen.

 

Wer profitiert von diesem Geld der EU?

Es gibt viele Projekte in Bremen und Bremerhaven, die Europa mitfinanziert hat. Wohin das Geld fließt, ist transparent, aber nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Wir zeigen ausgewählte Beispiele.

Das Bremer Stahlwerk von ArcelorMittal

Das Stahlwerk soll mit 840 Millionen Euro unterstützt werden, damit die Produktion klimafreundlich umgebaut werden kann. Dieses Geld kommt zwar vom Bund und dem Land Bremen. Doch ohne eine Genehmigung der EU dürfte es gar nicht fließen: Für die Förderung war vorab die Zusage der EU-Kommission nötig. Allein im Stahlwerk arbeiten gut 3.000 Menschen, rund 9.500 Bremerinnen und Bremer sind davon abhängig. (Foto: iStock)

Das Modellprojekt „Ich pflege wieder, weil …“ der Arbeitnehmerkammer

Am 1. Februar 2024 startete ein bundesweit einzigartiges Modellprojekt auf den beiden geburtshilflichen Stationen im Krankenhaus St. Joseph-Stift in Bremen. Das Ziel: bessere Arbeitsbedingungen. So sollen Pflegekräfte und Hebammen gewonnen werden, die aus dem Beruf ausgestiegen sind oder ihre bisherige Arbeitszeit aufstocken möchten. Dafür stellt die Senatorin für Arbeit Landesmittel und ESF-Gelder in Höhe von 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. (Foto: Nikolai Wolff, Fotoetage/ St. Joseph-Stift)

Programme für Weiterbildung und Qualifizierung im Land Bremen

Der Europäische Sozialfonds fördert im Land Bremen aktuell beispielsweise die Weiterbildung und Qualifizierung an- und ungelernter Menschen. Zudem finanziert er Projekte, die Arbeitslose unterstützen – speziell Frauen und Menschen mit Migrationsbiografie – oder zusätzliche Ausbildungsplätze für Jugendliche schaffen. Davon profitiert unter anderem die Landesagentur für berufliche Weiterbildung als zentrale Anlaufstelle oder die Bremer IntegrationsQualifizierung: Sie unterstützt junge Zugewanderte beim Spracherwerb und der Ausbildungsplatzsuche. Auch das Förderwerk Bremerhaven, ein inklusives Beschäftigungsprojekt für langzeitarbeitslose Menschen, oder der Verein Ausbildungspool Bremerhaven bekommen Geld von der EU. Hier entstanden zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze für jene, die schlechtere Chancen auf dem Ausbildungsmarkt haben. (Foto: Björn Hake/ Arbeitnehmerkammer)

Windpark auf dem Meer

Die Forschung zu „grünem“ Wasserstoff in Bremerhaven

Das HydrogenLab Bremerhaven arbeitet an der Herstellung von „grünem“, also emissionsfreiem Wasserstoff mittels Windenergie. Diese Forschung soll einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten und Ausgangspunkt einer lokalen Wasserstoffwirtschaft sein – mit neuen Jobs für Bremerhaven. Die EU und das Land Bremen haben das Projekt zuletzt mit 16 Millionen Euro gefördert. (Foto: Karsten Klama/ Arbeitnehmerkammer)

Impression der Schlachte am Abend

Die Umgestaltung der Schlachte in der Bremer Innenstadt

Die Aufwertung des alten Bremer Hafens, der Schlachte, bis zum Jahr 2000 wurde mit über 20 Millionen Euro gefördert – die Hälfte dieses Geldes kam von der EU. Anschließend haben sich zahlreiche gastronomische Betriebe an der Schlachte angesiedelt und die Innenstadt belebt. (Foto: Melanka Helms/ WFB)

Der Fischereihafen und die Fischwirtschaft in Bremerhaven

Der Fischereihafen in Bremerhaven wurde 1886 angelegt und ist noch immer eines der größten Zentren der Fischverarbeitung in Deutschland. Zwischen 2021 und 2027 erhält das Land Bremen für seine Fischwirtschaft neun Millionen Euro von der EU. Auch für Stadtentwicklung und Tourismus bekam der Fischereihafen schon Geld von der EU – allein zwischen 1994 und 1999 waren es fast zwölf Millionen Euro. (Foto: Wikimedia Commons)

Was habe ich als Beschäftigter im Land Bremen konkret von der EU?

Der europäische Binnenmarkt macht den Handel von Waren, Dienstleistungen und Kapital innerhalb der EU einfacher und günstiger – davon profitiert die Wirtschaft. Die EU begrenzt aber auch die Wochenarbeitszeit der Beschäftigten und hat ihre Ansprüche auf Ruhezeiten und bezahlten Urlaub verbessert. Die EU hat außerdem den Arbeitsschutz für Menschen erhöht, die nachts arbeiten. Beitragszeiten für die Sozialversicherung werden heute in anderen EU-Staaten angerechnet und in Unternehmen, die in mindestens zwei EU-Ländern Niederlassungen haben, können nun europäische Betriebsräte gegründet werden.

Dank der EU ist es in Deutschland verboten, Beschäftigte aufgrund ihres Geschlechts oder Alters schlechter zu behandeln oder sie rassistisch zu diskriminieren. Bereits seit ihren Gründungsjahren setzt sich die EU für Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt ein. Zuletzt mit der sogenannten Entgelttransparenz-Richtlinie, die in den nächsten zwei Jahren von Deutschland umgesetzt werden muss. Sie verpflichtet Unternehmen zu mehr Lohntransparenz und stärkt die Rechte von Beschäftigten.

Schon heute gilt: Wer in einem anderen EU-Land arbeitet, beispielsweise im Baugewerbe, muss zum gleichen Lohn bezahlt werden wie einheimische Arbeitskräfte. Laut der EU soll der landesweite Mindestlohn 60 Prozent des durchschnittlichen Bruttolohns betragen – das wären hierzulande aktuell rund 14 Euro. Im Land Bremen verdienen derzeit 58.000 Menschen weniger als 13,04 Euro in der Stunde. Sie alle hätten mehr Geld, wenn Deutschland die EU-Mindestlohnrichtline endlich umsetzen würde.

 

Was bringt mir die EU in meinem Alltag?

Die Vorteile der EU sind für viele selbstverständlich geworden – die Reisefreiheit beispielsweise oder die gemeinsame Währung. Wer online shoppt, hat dank der EU ein 14-tägiges Widerrufs- und Rückgaberecht. Wer sein Handy im EU-Ausland nutzt, zahlt dank der EU keine zusätzlichen Roaming-Gebühren mehr, auch die Kosten für Anrufe und SMS sind gedeckelt. Es gibt einheitliche Standards für Medikamente oder Steckdosen und Stecker, auch die Anerkennung von Berufsabschlüssen aus anderen europäischen Staaten hat die EU erleichtert. Und das Diskriminierungsverbot gilt dank der EU nicht nur für den Arbeitsplatz, sondern auch die Wohnungssuche oder den Krankenkassenbeitrag.