Soziale Probleme, Überforderung in der Schule oder Probleme im Betrieb: Über die Assistierte Ausbildung (AsA) der Arbeitsagentur bekommen Jugendliche und junge Erwachsene Ausbildungsbegleiterinnen und -begleiter zur Seite gestellt, die sie auf dem Weg zum Abschluss unterstützen.
Text: Insa Lohmann
Foto: Kay Michalak
1. Januar 2025
Auf dem Foto: Benjamin Michel
E-Mails abarbeiten, Telefonate annehmen, Aufträge und Rechnungen abwickeln, Termine organisieren und bei der Kundenbetreuung unterstützen – als angehende Kauffrau für Büromanagement ist Ronja Kramer ein echtes Allroundtalent, das für einen reibungslosen Ablauf im Büroalltag sorgt. „Ich war sofort verliebt in den Beruf“, erinnert sich die 20-Jährige. Doch während der Ausbildung tauchten bei der jungen Frau Schwierigkeiten mit dem Betrieb auf, große Unsicherheiten plagten die Bremerin. Ronja Kramer stand kurz davor, ihre Ausbildung abzubrechen. Über die Berufsberatung der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven wurde sie schließlich auf ein Angebot aufmerksam: die Assistierte Ausbildung. Diese wird im Auftrag der Arbeitsagentur von einem Bildungsträger umgesetzt und soll Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf dem Weg zum Berufsabschluss helfen. Dabei wird den Azubis eine Ausbildungsexpertin oder ein Ausbildungsexperte zur Seite gestellt, der sie vor oder während der Ausbildung unterstützt. Diese Ausbildungsbegleiter organisieren zum Beispiel Nachhilfeunterricht für ihre Schützlinge oder helfen, Probleme im Betrieb zu lösen.
„So geben Arbeitgeber auch Jugendlichen und jungen Menschen eine Chance, die sonst Schwierigkeiten haben.“
Joachim Ossmann, Leiter der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven
Allein im vergangenen November nutzten 450 Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Angebot. Vor vier Jahren wurde die Assistierte Ausbildung mit den ausbildungsbegleitenden Hilfen zusammengelegt und zu AsA Flex weiterentwickelt. Auch inhaltlich hat sich das Angebot der Arbeitsagentur neu aufgestellt: „AsA Flex ist deutlich flexibler und auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden zugeschnitten“, erläutert Joachim Ossmann, Leiter der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven. So können im Rahmen der Assistierten Ausbildung nicht nur fachliche und sprachliche Defizite der Auszubildenden aufgefangen werden, sondern auch Schwierigkeiten im Betrieb. „Mit dem neuen Angebot können wir die Probleme schon während der Ausbildung angehen“, so Ossmann. Ein Einstieg ist jederzeit möglich.
Für Ronja Kramer kam die sozialpädagogische Betreuung ihres Ausbildungsexperten genau zum richtigen Zeitpunkt. „Ich hatte sehr viele Unsicherheiten bezüglich meiner Ausbildung“, erinnert sich die junge Frau. „Dann hatte ich einige Gespräche mit meinem Ausbildungsexperten, das war sehr hilfreich.“ Die 20-Jährige fasste schließlich neuen Mut und entschied sich statt des Abbruchs der Ausbildung für einen neuen Betrieb. „Für mich war es die beste Entscheidung, dieses Angebot in Anspruch zu nehmen“, sagt Ronja Kramer, die ihre Ausbildung in einem Lackier- und Karosseriebetrieb absolviert. Zurzeit bereitet sich die Auszubildende auf ihre Abschlussprüfung im Sommer vor. Hilfe bekommt sie auch hier von ihrem Ausbildungsexperten in Form von wöchentlichem Nachhilfeunterricht. „Ich habe Angst vor Prüfungen“, berichtet die junge Frau. „Aber ich habe dort gelernt, mir kleine Teilziele zu setzen und an mich zu glauben.“
„Durch das Angebot der Arbeitsagentur bekomme ich speziellere Hilfe und ein besseres Verständnis für die Schulinhalte.“
Benjamin Michel, Auszubildender zum Friedhofsgärtner
Selbstlernkompetenz sei ein großes Thema bei den betreuten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, berichten Annika Stegemann und Sylvio Dubberke. Als Ausbildungsbegleiter sind sie täglich mit den Herausforderungen, Fragen und auch Sorgen der Bremer Azubis konfrontiert. „Wir zeigen ihnen zum Beispiel Methoden auf, wie sie selbst Inhalte erlernen können“, sagt Sylvio Dubberke. „Unser Ziel ist der erfolgreiche Ausbildungsabschluss.“ Zwar liege der Schwerpunkt auf schulischer Nachhilfe, aber der Bedarf und das Angebot auf dem Weg dahin könne sehr vielfältig sein: „Es geht auch darum, soziale Probleme zur Seite zu räumen, den Alltag im Betrieb zu bestreiten und Konflikte zu lösen, um Bestärkung, digitale Kompetenzen, therapeutische Begleitung sowie darum, Perspektiven zu erarbeiten und Lernkompetenzen zu erweitern.“ Ausbildungsexpertin Annika Stegemann: „Die Auszubildenden bekommen bei uns ein Komplettpaket.“
„Selbstlernkompetenz ist ein großes Thema bei den betreuten Jugendlichen und jungen Erwachsenen.“
Annika Stegemann und Sylvio Dubberke (Ausbildungsexpertin und -experte)
In Kleingruppen von maximal sechs Teilnehmenden erhalten Azubis über die Assistierte Ausbildung die Möglichkeit, mit Unterstützung der Nachhilfelehrerinnen und -lehrer ihre schulischen Inhalte aufzuarbeiten. „Tatsächlich haben 80 Prozent der Azubis mit den praktischen Inhalten ihrer Ausbildung keinerlei Schwierigkeiten“, berichtet Ausbildungsexperte Sylvio Dubberke. „Es sind oftmals schulische Probleme, mit denen junge Menschen zu uns kommen.“ In den Berufsschulen gebe es häufig nicht die Gelegenheit, Defizite einzelner Azubis aufzufangen, sagt Annika Stegemann. „Da werden Azubis schnell abgehängt.“ Einige Auszubildende suchen erst kurz vor der Abschlussprüfung Unterstützung, andere bemerken bereits nach dem Start ihrer Ausbildung schulische Defizite.
So war es auch bei Benjamin Michel, der kurz nach Beginn seiner Ausbildung als Friedhofsgärtner die Berufsberatung der Arbeitsagentur aufsuchte und so zur Assistierten Ausbildung kam. Seitdem nimmt er einmal die Woche individuellen Nachhilfeunterricht, denn als angehender Friedhofsgärtner benötigt Michel sehr fachspezifische Kenntnisse über Pflanzen, Erde und Boden. Gemeinsam geht der junge Mann mit seiner Nachhilfe regelmäßig die Fächer durch und schaut, wo Fragen oder Defizite sind. „Durch das Angebot bekomme ich speziellere Hilfe und ein besseres Verständnis für die Schulinhalte“, sagt der 20-Jährige aus Bremen-Nord. „Ich bin sehr dankbar, dass es so ein Angebot gibt – sonst wäre ich auf mich allein gestellt.“
Für Arbeitsagentur-Leiter Joachim Ossmann ist die Assistierte Ausbildung eine Win-win-Situation für Azubis und Betriebe, denn die Ausbildungsbegleiter unterstützen zudem die Unternehmen selbst: „So geben Arbeitgeber auch Jugendlichen und jungen Menschen eine Chance, die sonst Schwierigkeiten haben.“ Häufig könnten Betriebe Ausbildungsplätze nicht besetzen, weil sie keine passenden Kandidatinnen oder Kandidaten finden. Oftmals entsprechen die Kompetenzen der Nachwuchskräfte nicht den betrieblichen Anforderungen, einige Unternehmen scheuen vielleicht die Aufwände für Organisation und Verwaltung während der Ausbildung, wie Ossmann berichtet. „Mit der Assistierten Ausbildung lässt sich die Kluft zwischen den Erfordernissen der Betriebe und dem Potenzial der Azubis überbrücken“, so der Arbeitsagentur-Chef.