Zwei Drittel der rund 36.300 Studenten an Bremer Hochschulen jobben. Die Sozialwissenschaftlerin Sonja Bastin, vom Institut für Arbeit und Wirtschaft (iaw), hat sich genauer angeschaut, nach welchen Motiven Studenten ihre Jobs suchen. Hierfür hat sie die Einkommensdaten aus dem Sozialbericht des Studentenwerks angeschaut und 20 Studenten aus technischen und geisteswissenschaftlichen Studiengängen offen nach ihrer Job-Motivation gefragt. "Bekommen Studenten wenig Unterhalt von ihren Eltern, suchen sie hauptsächlich nach einer Finanzquelle – selbst wenn sie Geisteswissenschaften studieren und Praxiserfahrungen als wertvoll einschätzen. Sind die Geldsorgen kleiner, schauen die Studierenden eher nach qualifizierenden Nebenjobs", fasst Sonja Bastin die Ergebnisse zusammen.
Lena Sentker studiert Produktionstechnik im Master und jobbt als studentische Hilfskraft am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung. Im Labor lernt sie, wie sich Bauteile aus Metallpulver entwickeln lassen. "Mein jetziger Nebenjob am Institut hilft mir, die Theorie aus den Vorlesungen zu verstehen. Weil meine Eltern mich finanziell unterstützen, habe ich mich nach einer interessanten Hilfskraftstelle umgesehen", sagt die 24-Jährige. Ihre Kommilitonin Julia Claussen bekommt dagegen nur rund 300 Euro BAföG. "Praktische Einblicke wären für meine spätere Berufswahl toll gewesen. Aber ohne Nebenjob hätte ich gar nicht erst studiert", sagt sie. Julia stand für ihr Studium schon bei Daimler am Band, betreute Golfplatzgäste oder erledigte als studentische Hilfskraft einfache Bürotätigkeiten. Aktuell kümmert sie sich um Veranstaltungs- und Ressourcenplanung für eine Unternehmensberatung. Für praktische Einblicke in den Bereich Elektromobilität plant sie ein Praktikum.
Samuel Knaus arbeitet knapp 20 Stunden pro Woche auf 800-Euro-Basis in einer Kneipe. "Ich hätte kaum BAföG bekommen und will mein Nachhaltigkeitsökonomie-Studium selbst finanzieren. Mein Job macht mir Spaß und ich kann fest mit dem Geld rechnen. Wenn ich als Fundraiser bei Nichtregierungsorganisationen arbeiten würde, würde mein Einkommen nach Erfolgsquote schwanken", erzählt der Student. Der Halbtagsjob neben dem Studium sei anstrengend, bringe ihn aber über die Runden.
Peer Rosenthal, Referent der Geschäftsführung der Arbeitnehmerkammer sieht Studierende wie Julia und Samuel benachteiligt. "Grundsätzlich sind Studiengänge auf Vollzeit ausgelegt und Studierende sollten sich auf ihr Studium konzentrieren können. Bei fehlenden Alternativen zur Studienfinanzierung entsteht eine zusätzliche soziale Spaltung. Nur ein Teil der Studierenden hat die Chance, sich auch im Nebenjob zu qualifizieren – und hat damit beim Einstieg in den Beruf einen Vorsprung." Als bildungspolitische Stellschraube sollte die Ausbildungsförderung neu überprüft werden. Eine bessere Berufsorientierungsberatung an den Hochschulen könnte der doppelten Chancenbenachteiligung zudem entgegenwirken.
Text: Janina Weinhold
Fotos: Kay Michalak
Studenten dürfen während der Vorlesungszeit bis zu 20 Wochenstunden nebenher jobben. Bis zu dieser Grenze gelten sie als Student und sind von den Beiträgen zur Sozialversicherung befreit. Auch bei einem Minijob gelten alle arbeitsrechtlichen Regeln. Sei es das Recht auf Urlaub, Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall oder die geltenden Fristen bei einer Kündigung. Bei Problemen können sich arbeitende Studenten kostenlos in der Rechtsberatung der Arbeitnehmerkammer beraten lassen.