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Wer beherrscht hier wen?

Rahmenvereinbarung als Mittel für eine erfolgreiche Mitbestimmung beim Thema KI

16.09.2022

So viel ist klar: Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Betrieb muss geregelt werden, damit die Interessen der Beschäftigten auf allen Ebenen gewahrt bleiben können. Dabei soll aber die betriebliche Mitbestimmung keine Verhinderung oder dauerhafte Verzögerung des Einsatzes von KI bewirken. Gleichzeitig ist das Thema aber nicht nur technisch komplex, sondern die un- wie mittelbaren Folgen auf juristischer, arbeitstechnischer und sozialer Ebene für alle Beteiligten oft nur schwer vorhersehbar. Und auch ist klar, dass der Umfang von eingesetzter KI weiter zunehmen wird – inzwischen gehört sie zum Standardwerbeargument für Softwarelösungen.

Für betriebliche Interessenvertretungen bedeutet das, dass sie verstärkt und kontinuierlich mit dem Thema konfrontiert werden. Und das ist erst einmal eine gute Nachricht: letztendlich sind sie es und ihre Kolleginnen und Kollegen im Betrieb, die wissen, wie ihre Arbeitsprozesse ablaufen und dementsprechend konstruktive Vorschläge liefern können. Doch wie kann diese Expertise, die die Grundlage gelungener Mitbestimmung ist, in die Tat umgesetzt werden?

KI-Rahmenvereinbarung als Arbeitsgrundlage

Eine „Rahmenbetriebsvereinbarung KI“ kann hier das Mittel der Wahl sein, um bei der Einführung von (neuen) KI-Systemen von Anfang an die Interessenvertretung miteinzubeziehen. In ihr werden alle wesentlichen Regelungspunkte festgehalten. Diese umfassen unter anderem folgende Aspekte:

 

  1. Allgemeine Einbeziehung und Rechte des Gremiums

Wann und wie wird das Gremium in die Planung neuer Systeme integriert?

  • Hierbei bietet es sich an, konkrete Fristen festzulegen, auf die sich alle Beteiligten berufen können. Zum Beispiel kann vereinbart werden, dass spätestens vier Wochen nach der Entscheidung, ein KI-System einzuführen, das Gremium über mögliche Produkte informiert wird. Dadurch können Arbeitgeber- wie Arbeitnehmervertretung frühzeitig gemeinsam an einem Einsatz der KI arbeiten, der alle Interessen berücksichtigt.
  • Ebenso sollte ein konkreter Ansprechpartner genannt werden, der dem Gremium bei Fragen rund um das System zur Verfügung steht. Insbesondere Kolleg*innen aus der IT, die auch mit der Pflege des (neuen) Systems beauftragt sind, bieten sich dafür an. Hier gilt es zu beachten, dass bei personellen Änderungen zeitnah ein neuer Ansprechpartner genannt wird. Dadurch wird dem § 80 (1) und (2) des Betriebsverfassungsgesetzes, der die Einberufung eines Sachverständigen für das Gremium fordert, entsprochen. Zudem wird so ein Arbeitsablauf gewährleistet, der unnötige Verzögerungen durch beispielsweise fehlende Informationen unterbindet.
  • In diesem Zusammenhang kann auch die Benennung eines paritätisch besetzten IT- oder KI-Ausschusses sinnvoll sein, um über diese Arbeitsteilung im Gremium „Experten“ zu haben. Der Ausschuss selbst sollte vom Gremium mit Kolleginnen und Kollegen bestückt werden, die Interesse haben, sich ein wenig in technische Fragen einzuarbeiten. Durch ihre so gewonnene Expertise können sie Systeme inhaltlich bewerten und dem restlichen Gremium ihre Einschätzung mitteilen. Je nach Umfang der KI-Systeme, die eingeführt werden sollen, bieten sich entweder monatliche oder quartalsweise Treffen des Ausschusses an.
  • In diesem Zusammenhang sollte dem Gremium auch ein (Admin-)Account für das System bereitgestellt werden. Dieser ermöglicht dem Betriebsrat jederzeit, stichprobenartig die Einhaltung der Rahmenvereinbarung zu KI kontrollieren zu können. Dazu loggt er sich ein und kann über die Administratorenansicht sehen, welche Einstellungen aktuell vorliegen und wann diese von wem geändert wurden.

 

  1. Ampelsystem zur Klassifizierung von KI-Systemen

Bei der Einschätzung der KI-Systeme (z.B. durch einen KI-Ausschuss) bietet es sich an, diese mit einem Ampelsystem zu klassifizieren. Damit können neue Systeme in die „richtigen Bahnen“ der Mitbestimmung gelenkt werden und alle Beteiligten wissen, was als Nächstes getan werden muss.

  • Grün klassifiziert hierbei KI-Systeme, die unbedenklich und direkt eingesetzt werden können
  • Gelb bezeichnet Systeme, die zwar im Prinzip eingesetzt werden können, bei denen aber bestimmte Komponenten zuvor geregelt oder abgeschaltet werden müssen. Das muss dann (über den KI-Ausschuss) verhandelt werden, bevor es dann als Anlage an die Vereinbarung festgehalten wird. Hierbei sind typische Regelungsgegenstände:
    • das Einsatzgebiet, zum Beispiel Abteilungen, Projekte oder Tätigkeiten
    • beteiligte Beschäftigte und Vorgesetzte,
    • Verantwortliche für das System
    • erlaubte und verbotene Auswertungsmöglichkeiten sowie die Datenweitergabe an Dritte/Dienstleister
    • Checklisten in Tabellenform, die die wesentlichen Regelungspunkte beinhalten
  • Rot bezeichnet ein „No Go“. Damit werden Systeme gekennzeichnet, die in ihrer aktuellen Implementierung nicht eingesetzt werden dürfen, weil sie die Interessen der Beschäftigten einschränken. Ein typisches Beispiel hierfür ist eine (voll)automatische Bewertung der Arbeit der Kolleg*innen oder Prognosen, wie produktiv sie zukünftig arbeiten werden. Ebenfalls sollten Systeme als „rot“ eingestuft werden, bei denen der Verdacht besteht, dass die erhobenen Daten ins nicht-europäische Ausland „abfließen“, wo andere Datenschutzstandards gelten.

Die genauere Definition des Ampelsystems – ggf. mit weiteren „Zwischenfarben“ – sollte Teil der Rahmenvereinbarung oder ihrer Anlage sein.

 

  1. Leistungs- und Verhaltenskontrolle sowie Datenschutz

Wie viele moderne IT-Systeme bieten auch KI-Systeme oft umfangreiche Möglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle. Dies ist zum Teil auch beabsichtigt. In diesen Fällen ist es wichtig, dass das Gremium sein Mitbestimmungsrecht nach §87 (1) hinsichtlich der Systeme, die zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeignet sind, wahrnimmt.  

  • Im Idealfall schließt die Rahmenvereinbarung Leistungs- und Verhaltenskontrolle generell aus.
  • Abweichungen davon sollten dem Arbeitgeber nur in Ausnahmefällen wie potentiell arbeitsrechtlichen Verstößen gewährt werden.
  • Soll ein KI-System vom Zweck her für die Leistungs- und Verhaltenskontrolle installiert werden und das Gremium hat dagegen keinen Einwand, sollte die Ausgestaltung dieser Kontrollen in einer entsprechenden Anlage ausformuliert werden.
  • Zudem sollte in der Vereinbarung auch festgehalten werden, wie mit den Daten von Beschäftigten unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes umgegangen wird. Dies betrifft vor allem Systeme bei denen die Möglichkeit besteht, dass Daten an Dritte oder Softwarehersteller der KI gehen. Hierbei kann es hilfreich sein, den betrieblichen Datenschützer mit ins Boot zu holen.

 

  1. Updates, Upgrades und Patches
  • KI-Systeme müssen wie alle Software regelmäßig gewartet werden. Dies geschieht über Patches und Updates, die beispielsweise kritische Sicherheitslücken oder Fehler beheben.
  • Updates werden aber häufig auch genutzt, um zusätzliche und neue Funktionen in das System zu integrieren. Hier ist es entscheidend, dass das Gremium darüber informiert wird, ob es sich bei den neuen Funktionen um mitbestimmungspflichtige Gesichtspunkte handelt, zum Beispiel wenn neue Möglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle eingeführt werden.
  • Um die jeweilige Information zu erhalten, kann dem Gremium die Release Note des Updates mitgeteilt werden. Diese enthält alle Änderungen am System seitens des Herstellers. Das Gremium kann dann entscheiden, ob es darüber verhandeln will. Kann eine Fehlerbehebung nur mit einer neuen Funktion zusammen installiert werden, sollte die neue Funktion deaktiviert bleiben, bis ihr Einsatz durch die Mitbestimmung geregelt wird.
  • Da gerade bei kleinen Gremien oft nicht die Kapazitäten vorhanden sind, um sich mit jedem Update auseinanderzusetzen, kann auch eine Regelung auf Vertrauensbasis mit dem Arbeitgeber getroffen werden. Dabei verpflichtet dieser sich, mitbestimmungsrelevante Updates dem Gremium zu melden. Alle übrigen werden protokolliert. So kann das Gremium im Zweifelsfall stichprobenartig überprüfen, ob ihm tatsächlich alle relevanten Updates genannt worden sind.

 

Mehraufwand, der sich für alle lohnt

Während der Abschluss solch einer Rahmenvereinbarung durchaus zeitintensiv ist, liegen die Vorteile auf der Hand: Regelungsgegenstände, die grundsätzlich für jedes neue System gelten, müssen nur einmal vereinbart werden. Von beiden Seiten gewünschte Ausnahmen oder spezielle Gesichtspunkte einzelner KI-Systeme können in Anlagen der Betriebsvereinbarung geregelt werden. So ist die notwendige Flexibilität beim Einsatz von KI gewährleistet. Und beide Seiten gewinnen.


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Betriebs- und PersonalräteAKB003_Icon-Kontakt

Michaela Gröne
stellvertretende Leiterin Mitbestimmung und Technologieberatung

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Tel.: 0421/36301-912
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