Arbeiterinnen und Arbeiter beladen im Lager zur Nachtzeit einen Lieferwagen.

Längere Arbeitszeiten sind der falsche Weg

Die Politik diskutiert derzeit, ob die Deutschen wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten müssen. Recht gibt anscheinend das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Es hat online Zahlen veröffentlicht, die zeigen sollen, dass die Deutschen weniger arbeiten als die meisten anderen Menschen im europäischen Ausland. Stimmt das?

20. Mai 2025

Arbeiten wir zu wenig?

Der Vergleich von Arbeitszeitstatistiken verschiedener Länder ist schwierig, da die Daten sehr unterschiedlich erfasst werden. Das erklärt das IW selbst in einer jetzt heiß diskutierten Kurzpublikation von 2024, vergleicht die Daten dann aber doch. Mit aktuell ca. 45,6 Millionen (Stand: Januar 2025, Quelle: WSI) sind so viele Menschen wie noch nie zuvor in Deutschland erwerbstätig. Im europäischen Vergleich hat Deutschland eine hohe Erwerbstätigenquote – mit rund 78 Prozent deutlich höher als beispielsweise in Griechenland mit rund 63 Prozent (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Die geringe Erwerbsbeteiligung in Griechenland, wo laut der IW-Meldung pro Person im erwerbsfähigen Alter deutlich mehr gearbeitet würde als in Deutschland, bestätigt vor allem, wie schwierig diese Statistiken zwischen verschiedenen Ländern zu vergleichen sind. Wichtiger als die geleistete Arbeitszeit ist die Bewertung der Produktivität je geleisteter Arbeitsstunde. Diese ist in den letzten Jahrzehnten gesteigert worden – und es ist auch richtig, entsprechende Produktivitätsgewinne durch sinkende Wochenarbeitszeiten für Vollzeitbeschäftigte an diese weiterzugeben. In diesem Sinne ist die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in den letzten 100 Jahren für Vollzeitbeschäftigte gesunken. 

Wie sieht die Situation in Bremen aus? 

Laut unserer Beschäftigtenbefragung 2023 arbeiten die Erwerbstätigen im Land Bremen (inklusive Überstunden) im Schnitt 35,6 Stunden pro Woche – Männer 38,7, Frauen 32 Stunden. Insgesamt sind im Land Bremen gut 70 Prozent der Befragten in Vollzeit und knapp 30 Prozent in Teilzeit tätig. Ein Blick auf die Geschlechter zeigt allerdings, dass die Arbeitszeiten stark voneinander abweichen. So üben zwar knapp 90 Prozent der Männer eine Vollzeitbeschäftigung aus, aber weniger als die Hälfte der Frauen. Mehr als jeder dritte Mann und fast jede fünfte Frau arbeiten bereits jetzt 41 Stunden und mehr pro Woche. Mehr als jede*r Dritte muss „fast immer“ oder „oft“ Überstunden machen. In den Krankenhäusern ist es sogar mehr als jede*r Zweite. 70 Prozent der Befragten sind in den vergangenen zwölf Monaten krank zur Arbeit gegangen – im Durchschnitt sogar an neun Tagen.

Wollen oder können die Menschen nicht mehr arbeiten? 

Unsere Beschäftigtenbefragung zeigt: Ein beachtlicher Anteil der Beschäftigten arbeitet unfreiwillig in Teilzeit und würde seine Arbeitszeit gern aufstocken. Unter den Teilzeitbeschäftigten ist es immerhin ein Viertel. In der Leiharbeit und bei den Post-, Kurier- und Expressdienstleistungen möchte ebenfalls jede*r Vierte seine oder ihre Arbeitszeit erhöhen, im Gastgewerbe immerhin jede fünfte Person. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Mütter: Jede fünfte würde gern mehr arbeiten, knapp die Hälfte davon kann dies aber wegen fehlender Kinderbetreuung nicht umsetzen. Insgesamt sagt mehr als jede*r Dritte, dass Zeiten der Kinderbetreuung dazu beitragen, dass in Teilzeit gearbeitet wird. Ebenfalls bei mehr als jedem oder jeder Dritten spielen auch gesundheitliche Gründe eine Rolle.

Wie kann die Erwerbstätigkeit gefördert werden? 

Um die Frauenerwerbstätigkeit zu erhöhen brauchen wir eine verbesserte Infrastruktur – mehr Kinderbetreuung, insbesondere auch mit längeren Betreuungszeiten, und eine bessere Pflegeinfrastruktur. Angebote im Bereich der Sprach- und Integrationskurse dürfen nicht – wie praktiziert – gekürzt, sondern müssen gestärkt werden. So befördern wir, dass Geflüchtete am Erwerbsleben angemessen teilnehmen und das Erwerbspotenzial besser genutzt wird. 

Muss die individuelle Arbeitszeit erhöht werden? 

An den Eckpfeilern des Arbeitszeitgesetzes darf nicht gerüttelt werden. Die tägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden und die Mindestruhezeit von elf Stunden sind wichtig, um Arbeitnehmende vor Überlastungen zu schützen. Dass viele hier bereits an ihre Grenzen stoßen, unterstreichen auch die Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung „Koordinaten der Arbeit“ der Arbeitnehmerkammer. Die individuelle Arbeitszeit kann insbesondere im Land Bremen dadurch erhöht werden, dass mehr Personen in den Arbeitsmarkt integriert werden und der zeitliche Umfang der Teilzeitarbeit, insbesondere von Frauen, erhöht wird. Dies ist aber nur möglich, wenn die Rahmenbedingungen auch entsprechend verbessert werden. 

Foto: iStock

Welche Arbeitszeiten wünschen sich die Menschen in Bremen? Mehr dazu in unserem Artikel zur Arbeitszeit.